Nickel im Darm: Bauchschmerz-Alarm!

Fleißige Leser und Abonnenten meines YouTube-Kanals wissen es natürlich längst: Das Reizdarmsyndrom gliedert sich primär in zwei große Kategorien.

 

Auf der einen Seite existiert da so etwas wie ein "wirkliches" Reizdarmsyndrom. Dieses ist geprägt durch eine chronische Immunaktivierung, Mikroentzündungen und eine Hyperplasie spezifischer Immunzellen. In den meisten Fällen entsteht dieser Typus im Anschluss an eine akute Infektion des Magen-Darm-Trakts. Letzteres ist, je nach Kontext, für 4% bis 36% der akuten Fälle belegt (z.B.  Ghoshal,2022; Sadeghi et al.,2019Thabane & Marshall,2009). Obwohl auch diese Form des Reizdarms prinzipiell behandel- und auch heilbar ist, sind der hierfür zu betreibende therapeutische Aufwand und die benötigte Zeit beträchtlich. Wenn die Patienten und auch die meisten Mediziner über "den" Reizdarm sprechen, beziehen sie sich in den allermeisten Fällen auf diese Variante der Erkrankung. 

 

Deutlich weniger Menschen wissen, dass hinter dem Großteil der Reizdarm-Diagnosen in Wirklichkeit andere Erkrankungen stecken. Wie ist das möglich? Die Diagnose Reizdarmsyndrom wird lediglich anhand des Vorliegens eines bestimmten Symptomkomplexes und via Ausschluss anderer Erklärungen gestellt. Doch es gibt unzählige Störungsbilder, welche exakt die gleichen Beschwerden hervorrufen wie der Reizdarm. Einige dieser Krankheiten, die sich gern unter dem Label Reizdarm verstecken, sind inzwischen recht gut bekannt und werden auch von den meisten Gastroenterologen routinemäßig untersucht. Dazu gehören beispielhaft das Gallensäureverlustsyndrom (bis zu 35% aller Fälle mit Durchfall als Hauptsymptom - Slattery et al.,2015) oder die Dünndarmfehlbesiedlung (etwa ein Drittel aller RDS-Patienten - Ndong et al.,2023). 

Doch neben den genannten Kandidaten existieren noch zahlreiche weitere Erkrankungen, die häufig für Bauchschmerzen, Durchfälle, Blähungen und Co. verantwortlich sind. Das Problem: Werden diese von deinem Hausarzt oder Gastroenterologen bei der Differentialdiagnostik nicht beachtet, erhältst du schlicht den Stempel "Reizdarm". Ohne eine korrekte Diagnose ist allerdings keine zielgerichtete und damit erst effektive Behandlung des Reizdarms möglich. Genau hier liegt nämlich der große Vorteil dieser Alternativerklärungen: Die allermeisten von ihnen lassen sich unkompliziert therapieren und in vielen Fällen verschwinden die Darmsymptome vollständig!

 

In meinem heutigen Blogbeitrag möchte ich deshalb deinen Fokus auf zwei sehr häufige, aber leider wenig beachtete Störungsbilder lenken, die sich ebenfalls hinter der Diagnose RDS verbergen können. Es handelt sich um das Systemische Nickelallergie Syndrom (SNAS) und die Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NZGS). Um dir aufzuzeigen, welche enormen Vorteile das Beachten dieser Störungsbilder für deinen Reizdarm haben kann, werden wir uns intensiv mit einer aktuellen italienischen Studie auseinandersetzen. 

 

Doch zuallererst werden wir möglichst kurz definieren, was unter den beiden Begriffen zu verstehen ist. 

 

Ein zentraler Kreis Reizdarmsyndrom wird überlagert und bildet Schnittmengen mit weiteren farbigen Kreisen: FODMAP-Intoleranz, Nickelallergie, Glutensensitivität, Zöliakie, Dünndarmfehlbesiedlung, Laktoseintoleranz, Fruktoseintoleranz.
Abb1: Grafische Darstellung des Reizdarmsyndroms und von Erkrankungen, die sich sich häufig hinter diesem verbergen. Prominent darunter die systemische Nickelallergie und die Glutensensitivität. Quelle: Borghini et al.,2017.

Das wirst Du in diesem Artikel lernen ...

Nickel als Trigger für den Darm: Die Systemische Nickelallergie

Nickel ist ein ubiquitäres (= nahezu überall vorkommendes) Übergangsmetall. Als Mineralstoff ist es für viele Pflanzen und Mikroorganismen überlebenswichtig, während dies für Säugetiere und den Menschen umstritten ist. Vielen meiner Leser ist das Element sicherlich ein Begriff, da Nickel das am besten untersuchte metallische Allergen ist. Dies kann in erster Linie dadurch erklärt werden, dass das Übergangsmetall der bedeutendste Auslöser von Kontaktallergien ist. In Deutschland gelten bis zu 4,5 Millionen Menschen als sensibilisiert - Tendenz steigend (Schnuch et al.,2002). Typischerweise zeigt sich diese Kontaktallergie durch das Auftreten eines Ekzems (Rötung, Schwellung, Bläschen und Knötchen, Schuppung der Haut) nach Kontakt mit nickelhaltigen Gegenständen wie Brillengestellen, Modeschmuck, Tattoofarben etc. 

 

Da Nickel praktisch überall vorhanden ist, gelangt es über die Luft, den Boden oder auch während des Verarbeitungsprozesses (Edelstahl!) auch in unsere Lebensmittel und somit in unseren Verdauungstrakt. Vom Darm kann Nickel schließlich absorbiert werden. 

Ein Problem entsteht, wenn Nickel-sensibilisierte Personen größere Mengen des Mineralstoffs zu sich nehmen. Hierfür reichen typische Portionen an Hülsenfrüchten, Nüssen, Vollkorngetreide und sogar Leitungswasser. Hautekzeme können durch den Verzehr dieser Nickelquellen provoziert oder verstärkt werden. Weiterhin zeigen sich systemische Beschwerden, welche meist (aber nicht ausschließlich) den Darm betreffen. Wir sprechen in diesem Fall von einem Systemischen Nickelallergie Syndrom (SNAS) oder in Anlehnung an die Kontaktdermatitis von der Nickel-Kontaktmukositits (Ni-ACM). 

 

Die Symptome der Systemischen Nickelallergie

Zu den typischen Beschwerden der Systemischen Nickelallergie gehören (nach Tammaro et al.,2022):
  1. Dermatitis bzw. Ekzem der Haut
  2. Urtikaria bzw. Nesselsucht
  3. Kopfschmerzen
  4. Erschöpfung und Müdigkeit
  5. Brain Fog 
  6. Bauchschmerzen
  7. Bauchkrämpfe
  8. Blähungen
  9. Durchfall
  10. Verstopfung
  11. Übelkeit

Hervorgerufen werden diese Beschwerden durch eine allergische Reaktion des Immunsystems, die zu Entzündungen der Darmschleimhaut führt (Solomons et al.,1982). Die bei der Ni-ACM beobachtbaren Veränderungen der Mukosa und der Mikrovilli machen eine deutliche endoskopische Abgrenzung zur Zöliakie teilweise schwer (s.o. Tammaro und Kollegen). 

 

Nickel und Darm: Häufigkeit und Prognose der SNAS beim Reizdarmsyndrom

Die Häufigkeit dieser systemischen Form der Nickelallergie ist noch nicht abschließend geklärt. Ein italienisches Team fand unter Patienten, die sich in allergologischen und Hautkliniken vorstellten, einen Anteil von immerhin 6% Betroffener einer Ni-ACM (Ricciardi et al.,2014). Auch interessant an dieser Studie: Viele Patienten zeigten keinerlei Hautsymptome, sondern berichteten ausschließlich Beschwerden des Reizdarms und neurologische Einschränkungen. 

Kein Wunder also, dass der Anteil der Betroffenen einer Systemischen Nickelallergie unter den Patienten mit einer Reizdarmdiagnose deutlich größer ausfällt (Cosgun et al.,2023Kageyama et al.,2019). 

 

Schließlich verbessert eine Nickel-arme Diät signifikant die Beschwerden des Reizdarms und heilt diesen in vielen Fällen auch vollständig aus (Borghini et al.,2020Borghini et al.,2022Mori et al.,2021Rizzi et al.,2017 usw.)

 

Gluten-Ärger geht auch ohne Zöliakie: Die Glutensensitivität

Die Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (kurz NZGS) ist eine Erkrankung, welche durch gastrointestinale, aber auch systemische Beschwerden charakterisiert ist, die nach dem Verzehr glutenhaltiger Lebensmittel (z.B. Back- und Teigwaren aus Weizen, Roggen, Gerste usw.) auftreten. Diese Symptome sind vielfältig (s.u.) und verschwinden nach einigen Monaten glutenfreier Kostumstellung - oft vollständig. Um die Diagnose NZGS stellen zu können, müssen zuvor andere Erkrankungen mit Glutenbezug ausgeschlossen werden. Hierzu gehören vor allem die Autoimmunerkrankung Zöliakie und die Weizenallergie. 

 

Während bis vor einigen Jahren noch viele Ärzte und vor allem populärwissenschaftliche Autoren die Existenz einer Glutenunverträglichkeit bestritten, gelten heute viele Pathomechanismen der Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität als gut belegt. Besonders interessant: Im Gegensatz zur großen Schwester Zöliakie zeigt sich bei der NZGS eine Aktivierung der unspezifischen (angeborenen) Immunantwort (Aufiero et al.,2018). 

Letztere führt zu signifikanten krankhaften Veränderungen der Darmmukosa, u.a. einer reduzierten Höhe der Mikrovilli, einer Vertiefung der Krypten und auch einer verstärkten Infiltration mit Lymphozyten (Zanini et al.,2018). 

 

Neben dem Gluten spielen vermutlich weitere Triggerfaktoren, insbesondere die so genannten Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATIs) eine entscheidende Rolle bei der Symptomerzeugung. 

 

Die Symptome der Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität

Zu den Beschwerden der NZGS gehören vor allem, aber nicht erschöpfend (Liste nach Catassi,2015):
  1. Reizdarm-Symptome
    1. Bauchschmerzen
    2. Blähungen
    3. Durchfall
    4. Verstopfung
    5. Übelkeit
    6. Appetitlosigkeit
  2. Brain Fog 
  3. Erschöpfung bzw. Fatigue
  4. Kopfschmerzen
  5. Gelenkschmerzen
  6. Muskelschmerzen
  7. Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen
  8. Depressionen
  9. diverse Angststörungen
  10. Asthma
  11. Hautekzeme bzw. Dermatitis

Wie auch schon für das SNAS gilt also auch hier: Besonders Reizdarm-Patienten, die neben den klassischen Darmbeschwerden häufig unter systemischen Symptomen (vor allem neurologisch und dermal) leiden, sollten unbedingt eine weiterführende Diagnostik anstreben. Schließlich hält auch die Glutensensitivität bei entsprechender Therapie große Heilungschancen parat!

 

Gluten und Darm: Häufigkeit und Prognose der NZGS beim Reizdarmsyndrom

Im Gegensatz zu vielen Medienberichten vermuten zahlreiche Wissenschaftlergruppen eine recht hohe Prävalenz der Glutenunverträglichkeit in der westlichen Welt von bis zu 13% (Molina-Infante et al.,2015). Da es sich aufgrund der diagnostischen Schwierigkeiten (s.u.) hierbei allerdings auch um vage Datenquellen wie Selbstauskünfte handelt, sind diese Schätzungen umstritten. Betrachtet man die vorhandene Literatur bis zum heutigen Tag, legt diese eine Verbreitung von zirka 5-6% der Gesamtbevölkerung nahe. 

 

Anders sieht es natürlich wieder bei den Patienten mit einer Reizdarm-Diagnose aus.  So berichteten in einer britischen Studie sage und schreibe 42,5% der Reizdarm-Betroffenen, dass sie unter einer Glutenunverträglichkeit litten (Aziz et al.,2015). Hierbei könnten aber grundsätzlich auch andere Getreidekomponenten (ATIs oder Fruktan) eine auslösende Rolle spielen. 

Doch unter Umständen ist dieser Prozentsatz sogar noch zu niedrig angesetzt, denn in einer deutschen Untersuchung mittels Konfokaler Laser-Endomikroskopie zeigte sogar die Hälfte aller RDS-Probanden deutliche Reaktionen der Darmschleimhaut nach dem Konsum von Weizen - und zwar innerhalb von Minuten und in Echtzeit (Fritscher-Ravens et al.,2014). Ähnliche Veränderungen ließen sich in keiner der Kontrollpersonen nachweisen. 

 

Doch wenn du dich schon etwas länger oder intensiver mit Medizin oder Wissenschaft beschäftigst, dann weißt du natürlich, dass sich ein bestätigter Pathomechanismus nicht immer auch in klinische Erfolge übersetzen lässt. Wie sieht das bei der Therapie der Glutensensitivität aus?

Schlicht und ergreifend gesagt: Symptomfreiheit ist möglich! 

 

Bereits im Jahr 2007 demonstrierte eine deutsche Studie, was diesbezüglich zu erwarten ist. Nach sechs Monaten glutenfreier Ernährung normalisierten sich Stuhlfrequenz und -konsistenz sowie der gastrointestinale Symptomscore von gut einem Drittel der 145 Probanden mit einem Reizdarmsyndrom (Wahnschaffe et al.,2007). Darüber hinaus verbesserten noch viele weitere Teilnehmer ihre RDS-Symptome signifikant. 

Inzwischen konnte dieser Trend durch zahlreiche weitere Studien internationaler Forscherteams bestätigt werden. So zeigte beispielsweise eine britische Studie, dass über 70% der teilnehmenden Reizdarm-Patienten mit signifikanten Verbesserungen ihrer Beschwerden auf eine glutenfreie Diät reagierten (Aziz et al.,2017). Nach nur sechs Wochen betrug die durchschnittliche Reduktion des IBS-Symptom-Severity-Scores >150 Punkte und viele Probanden erreichten die Beschwerdefreiheit. 

 

Aktuelle Studie enthüllt Details über Krankheitsmechanismen von Nickelallergie und Glutensensitivität beim Reizdarmsyndrom

Vielleicht waren die bis hierhin dargestellten Inhalte etwas zu abstrakt oder theoretisch für dich? Dann möchte ich dir nun gern anhand einer aktuellen italienischen Studie beleuchten, wie enorm wichtig das Beachten und Untersuchen von Systemischer Nickelallergie und Glutensensitivität tatsächlich sind (Greco et al.,2023). 

Ohne die Differentialdiagnostik dieser beiden Erkrankungen wäre nämlich ein Drittel der Patienten ohne Diagnose und somit ohne effektive Therapie geblieben

 

Schauen wir uns zuerst die Patienten und die Methoden der Wissenschaftler etwas genauer an. 

 

Die Patienten: Blähungen, Bauchschmerzen, Durchfall, Erschöpfung, Brain Fog

Zu den Probanden der Untersuchung gehörten 106 Patienten mit vornehmlich Darmbeschwerden, aber auch zahlreichen systemischen Symptomen. Die Patienten wurden zuvor an eine Spezialklinik für Zöliakie-Erkrankungen überwiesen, da sie selbst einen Zusammenhang ihrer Beschwerden mit dem Verzehr von Getreide vermutet hatten. In der Klinik sollte eine umfassende Diagnostik erfolgen. 

 

Um die Symptome der Probanden zu beschreiben, wurde ihnen der validierte Fragebogen Gastrointestinal Symptom Rating Scale (GSRS) vorgelegt. Alle Patienten gaben mindestens drei Symptome mit einem Schweregrad von 5 an (Fragebogen positiv). Obwohl auch regelmäßig Beschwerden wie Taubheitsgefühle, Ohnmachtsanfälle oder Erbrechen berichtet wurden, ergab sich für das gesamte Patientenkollektiv ein spezifisches Symptomcluster. Die folgende Aufzählung nennt jene Symptome, welche im Durchschnitt mindestens einen Score von 5 erhalten hatten:

  1. Blähungen
  2. Fatigue, Erschöpfung
  3. Flatulenz (vermehrtes Absetzen von Darmgasen)
  4. Kopfschmerzen
  5. Bauchschmerzen
  6. Völlegefühl und abdominelles Unwohlsein
  7. Durchfall
  8. Brain Fog
  9. Darmgeräusche (Borborygmus)

Alle Probanden wurden mittels der Bestimmung der Anti-Gewebstransglutaminase-Antikörper auf das Vorliegen einer Zöliakie gescreent. Fiel diese Laboruntersuchung jedoch negativ aus, wurden zusätzlich ein oraler Gluten- und Nickelpflaster-Test durchgeführt. 

Anschließend erhielten alle Teilnehmer der Studie mit positiven Testergebnissen eine Endoskopie (Spiegelung) des Dünndarms samt Entnahme von mehreren Gewebeproben, um die zuvor etablierten Diagnosen zu verifizieren und histologische Erkenntnisse zu sammeln.

 

Als therapeutische Maßnahme wurden letztlich die entsprechenden glutenfreien oder nickelarmen Diäten umgesetzt. Nach drei Monaten mit dieser Ernährungstherapie erfolgte eine erneute Anamnese der Symptome. 

 

33% der Patienten hatten eine Nickelallergie oder Glutensensitivität!

Die erste zentrale Erkenntnis dieser Untersuchung: 65 der 106 Patienten zeigten positive Anti-Gewebstransglutaminase-Antikörper, was das Vorliegen der Autoimmunerkrankung Zöliakie nahelegt. Die 41 verbliebenen Probanden (39%) wären in einem konventionellen Setting (Gastroenterologe oder Klinik) ohne Befund nach hause geschickt worden. Typischerweise würde der Hausarzt die Diagnose Reizdarmsyndrom als bestätigt ansehen. 

In diesem Experiment offenbarte sich durch die oralen Pflastertests jedoch, dass neun (8%) Patienten auf Gluten reagierten und 27 (25%) auf Nickel. Anstatt der 41 Probanden wurden nur fünf ohne Befund entlassen! 

 

Zweite Überraschung: Die Betroffenen einer Systemischen Nickelallergie oder einer Nicht-Zöliakie-Glutensensitvität zeigten während der Endoskopie des Dünndarms keine Anzeichen für eine Zöliakie oder eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung. Erneut stünde im Arztbrief: o.B. - ohne Befund. 

Doch bei der Untersuchung der Gewebeproben ergaben sich deutliche Unterschiede zu gesunden Kontrollpersonen. So zeigten die Patienten eine untypische lineare Verteilung von T-Lymphozyten in den unteren Schichten der Darmschleimhaut. Die quantitative Bestimmung von Entzündungsprozessen via CD3- und CD4-positiver Lymphozyten zeigte außerdem, dass diese mit jenen bei einer aktiven Zöliakie vergleichbar waren! 

 

Bild einer mikroskopierten Biopsie aus dem Dünndarm von Patienten mit Nickelallergie und NZGS. Dargestellt ist u.a. eine auffallende Verteilung der T-Lymphozyten in den unteren Schichten der Darmschleimhaut.
Abb2: Untypische Verteilung der T-Lymphozyten bei Nickelallergie (B) und Glutensensitivität (A) gekennzeichnet durch rote Pfeile. Quelle: Greco et al. (2023)

Die Therapie von Nickelallergie und Glutensensitivität lassen den Reizdarm (und nicht nur den) verschwinden!

Die 36 Betroffenen mit einer bestätigten Systemischen Nickelallergie oder aber einer Glutensensitivität wurden anschließend für drei Monate auf eine glutenfreie bzw. nickelarme Kost gesetzt.  

 

Zuerst einmal können wir staunend festhalten, dass annähernd alle erfassten Beschwerden signifikant abnahmen (siehe * in Abbildung 3). Besonders imposant waren die symptomatischen Verbesserungen bei den NZGS-Patienten (siehe bspw. die Reduktion bei Bauchschmerzen, ungeformten Stuhl, Blähungen, Kopfschmerzen etc.) Aber auch die Betroffenen eines SNAS profitierten deutlich von der Intervention. 

Um das in Abbildung 3 dargestellte Ergebnis der zwölf Wochen andauernden Ernährungstherapie besser interpretieren zu können, solltest du wissen, dass die Gastrointestinal Symptom Rating Scale (GSRS) als positiv angesehen wird, wenn mindestens drei der 27 abgefragten Symptome (für welche Intensität, Frequenz etc. eingeschätzt werden müssen) einen Score von fünf oder höher zeigen. 

 

Nach den drei Monaten überschritt kein einziges Symptom der Patienten mit Glutensensitivität noch diesen Grenzwert von 5. Zuvor waren es im Schnitt 16 Symptome gewesen, bei einigen Betroffenen mehr. Viele gastrointestinale Beschwerden zeigten nach der Diät sogar einen Mittelwert zwischen 0 und 1! 

Bei den SNAS-Betroffenen waren nach der nickelarmen Kost Blähungen das einzige Symptom mit einem Score über fünf. Zu Beginn der Diät waren es 10 Symptomkategorien gewesen. Doch selbst das Ergebnis bei den Blähungen kann als durchaus positiv eingeschätzt werden, denn es reduzierte sich signifikant, kommend von einem hohen Ausgangswert zwischen acht und neun Punkten. Also auch hier ein durchschlagender Erfolg! 

 

Balkendiagramm zur visuellen Darstellung der symptomatischen Verbesserung durch glutenfreie oder nickelarme Kost. Besonders imposante Unterschiede zeigen sich bei Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfällen etc. Viele Symptome zeigen Scores zwischen 0-1.
Abb3: Darstellung der signifikanten Verbesserungen der 27 Symptome der GSRS nach drei Monaten glutenfreier (oben) bzw. nickelarmer (unten) Ernährung. Die GSRS wurde in beiden Fällen negativ (keines bzw. ein Symptom >5) Quelle: Greco et al. (2023)

Warum genau die Patienten mit einer Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität stärker von der Ernährungstherapie profitierten, wurde von den Wissenschaftlern nicht untersucht. Hierzu aber vielleicht zwei Anmerkungen von mir, da ich bereits mit vielen Patienten zusammenarbeiten durfte, welche eine der beiden oder gar beide Erkrankungen gleichzeitig haben. 

  1. Eine glutenfreie Ernährung ist deutlich leichter zu verstehen und umzusetzen als eine nickelarme Ernährung. Die Richtlinien sind klar: Kein Brot, keine Nudeln, keine Backwaren aus Weizen, Roggen, Dinkel, Gerste usw. Bei der Verwendung von Ersatzprodukten sollte auf das Label "glutenfrei" geachtet werden. Die Lebensmittellisten zur Systemischen Nickelallergie sind deutlich weniger klar und widersprechen sich sogar häufig. Zusätzlich können viele Stolperfallen den Erfolg der Diät sabotieren (Edelstahl-Kochutensilien, Kaffee aus dem Automaten, Leitungswasser in den Morgenstunden usw.) 
  2. Die glutenfreie Ernährung eliminiert automatisch weitere nachweislich den Darm reizende Komponenten wie Fruktane und Amylase-Trypsin-Inhibitoren. Das Vermeiden allein schon dieser Triggerfaktoren führte in Studien zu deutlichen symptomatischen Verbesserungen. 

Ich kann dir als Betroffenem einer Systemischen Nickelallergie also nur ans Herz legen, deine Heilkost nicht nur nickelarm, sondern auch glutenfrei zu strukturieren. Dafür eignet sich ein Paleo-Konzept oder die gute alte Spezielle Kohlenhydrat Diät, welche um einige Facetten ergänzt werden sollten (z.B. der weitestgehende Verzicht auf Nüsse und Samen). 

 

Fazit

Wir können aus dieser Untersuchung mehrere interessante Schlussfolgerungen ziehen:

  1. Ohne das Abklopfen von NZGS und SNAS wäre ein Drittel aller untersuchten Patienten ohne Befund nach Hause geschickt worden und hätte vermutlich die Diagnose Reizdarmsyndrom erhalten. Die Konsequenz wäre in diesem Falle eine nicht besonders wirkungsvolle Therapie mit Spasmolytika, Loperamid und Co.  gewesen. 
  2. Stattdessen führte aber eine glutenfreie oder nickelarme Ernährung zu einer starken Verminderung aller Symptome. Viele Darmbeschwerden verschwanden vollständig. Dies war nur durch die weiterführende Differentialdiagnostik möglich!
  3. Obwohl heute immer noch viele Hausärzte und Gastroenterologen in Deutschland vor allem die Existenz der Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität infrage stellen, zeigt die Untersuchung der Biopsien Betroffener deutliche immunologische Unterschiede zu jenen gesunder Kontrollpersonen. Die Entzündungslast ist mit jener bei einer aktiven Zöliakie vergleichbar und unterscheidet sich deutlich von einer Zöliakie in Remission. 

Das Nicht-Beachten dieser beiden Störungsbilder könnte dich also um einen wirklichen Therapieerfolg oder sogar eine richtige Heilung bringen!

 

Wie kannst du herausfinden, ob du unter einer Systemischen Nickelallergie oder einer Glutensensitivität leidest?

In einer idealen Welt würdest du mit dem gerade Gelernten einfach in deine Hausarztpraxis stolpern und der Arzt würde dann einige spezifische Untersuchungen anordnen (z.B. einen oralen Schleimhaut-Pflastertest). Doch von diesem positiven (und naiven) Bild des deutschen Gesundheitssystems bin ich inzwischen durch viele persönliche und Erfahrungen meiner Klienten und Leser geheilt. 

Aus diesem Grund möchte ich dir wenigstens einige Untersuchungen aufzeigen, die du auf eigene Faust anstoßen kannst. Zumindest für den Test auf Systemische Nickelallergie benötigst du allerdings eine freundliche Arztpraxis, die Blut entnimmt und die Probe für den Kurier aufbewahrt. Solange du den Test selber finanzierst, sind meiner Erfahrung nach die allermeisten Hausärzte hierzu bereit. 

 

Die Diagnostik der Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität

Für das Vorliegen einer NZGS kann eine Kombination mehrerer Laborparameter genutzt werden, wobei vor allem die Kombination der Ergebnisse den Befund sichern kann.

  1. Zöliakie-assoziierte Immunglobulin G (IgG) Antikörper und HLA-DQ 2 Expression (Wahnschaffe et al.,2007) - beides möglich über den (Fach-)Arzt oder privat bspw. über das IMD Berlin (Arzt oder HP muss vorhanden sein)
  2. Möglich ist auch die Bestimmung von IgG-Zöliakie-Antikörpern im Stuhl - privat bspw. möglich über das Labor Enterosan
  3. Bestimmung der gastrointestinalen Permeabilität, insbesondere via Zonulin (Barbaro et al.,2020Singh et al.,2019) - möglich via Stuhltest in den eigenen vier Wänden u.a. über medivere:diagnostics. 

Die Diagnostik der Systemischen Nickelallergie

Für die Differentialdiagnostik insbesondere der Systemischen Nickelallergie hat sich neben dem klassischen Pflastertest bei Kontaktallergie ein immunologischer Bluttest bewährt. 

  1. Lymphozyten-Transformationstest (LTT) auf Nickel (z.B. Ständer et al.,2017) - möglich über das IMD Berlin (Arzt oder HP muss vorhanden sein)

Werde aktiv!

Ich kann dir nur empfehlen, die Diagnostik dieser beiden Störungen schnellstmöglich in die eigenen Hände zu nehmen. Viele meiner Klienten konnten durch das Identifizieren dieser Trigger ihre Beschwerden deutlich reduzieren oder sogar ganz in den Griff bekommen. Die Transformation eines Lebens ist manchmal nur eine Mahlzeit entfernt ... 

 

Viel Erfolg dabei und eine baldige Genesung wünscht

dein Thomas

 

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Abbildungsverzeichnis

Abb1

Borghini R, Donato G, Alvaro D, Picarelli A. New insights in IBS-like disorders: Pandora's box has been opened; a review. Gastroenterol Hepatol Bed Bench. 2017 Spring;10(2):79-89. PMID: 28702130; PMCID: PMC5495893.

 

Abb2+Abb3

Greco N, Pisano A, Mezzatesta L, Pettinelli M, Meacci A, Pignataro MG, Giordano C, Picarelli A. New Insights and Evidence on "Food Intolerances": Non-Celiac Gluten Sensitivity and Nickel Allergic Contact Mucositis. Nutrients. 2023 May 17;15(10):2353. doi: 10.3390/nu15102353. PMID: 37242236; PMCID: PMC10222428.

 

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