Die häufigsten Fragen über den Reizdarm kurz und bündig beantwortet!

Ich weiß wie mühselig es ist, sich durch seitenlange wissenschaftliche Abhandlungen zu quälen, wenn man aufgrund seiner nagenden Bauchschmerzen, seines unaufhaltsamen Durchfalls oder panischer Angst um seine Zukunft, weil man gerade die fünfte Krankschreibung an den Boss geschickt hat, eigentlich schnelle, einfache und konkrete Antworten braucht. Deshalb habe ich mich entschlossen, auf dieser Seite die mir regelmäßig per Mail oder YouTube-Kommentar gestellten Fragen zu bündeln und jeweils in wenigen möglichst unmissverständlichen Sätzen zu beantworten. Mal schauen ob das meinem Nerdgehirn gelingt! Am Ende jeder Antwort findest du ein oder zwei interessante Links, um dich tiefer mit der Aussage zu beschäftigen, oder nach Belegen für die jeweilige Behauptung zu suchen. Viel Spaß und neue Erkenntnisse! 

 

Frequently asked Questions: Das Reizdarmsyndrom

Bitte klicke die jeweilige Frage an, die dich besonders interessiert!

  1. Woher kommt der Reizdarm?
  2. Ist der Reizdarm heilbar?
  3. Wie erreiche ich diese Heilung am schnellsten?
  4. Welche drei Behandlungen sind beim Reizdarm am effektivsten?
  5. Was sind die besten Medikamente beim Reizdarmsyndrom?
  6. Ist ein Reizdarm tödlich?
  7. Was sollte man bei einem Reizdarm meiden?
  8. Ist der Reizdarm eine psychische Erkrankung?
  9. Gehört Symptom X oder Y zu den normalen Beschwerden eines Reizdarmsyndroms?
  10. Kann die Psyche auf den Darm schlagen?
  11. Kann ein Reizdarm Depressionen oder Ängste auslösen?

Woher kommt der Reizdarm?

Das Reizdarmsyndrom betrifft heute epidemiologischen Studien zufolge 15% der Bevölkerung mit einer steigenden Prävalenz vor allem unter den jungen Erwachsenen. Die Epidemiologie gibt uns auch Hinweise darauf, woher diese Flut an Reizdarmdiagnosen kommt: Zum einen existieren starke globale und auch regionale Unterschiede. Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern sind deutlich seltener betroffen als ihre Mitmenschen in hochentwickelten Industrienationen. Auch bestehen deutliche Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung. Zum anderen kennt man Erkrankungen wie den Reizdarm, aber auch die chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen bei heute noch traditionell lebenden Kulturen gar nicht. Auch in der wissenschaftlichen Fachliteratur tauchen diese Erkrankungen auch an der Schwelle zur Moderne auf - im Zusammenspiel mit dem westlichen Lebensstil, den "Segnungen" der Lebensmittelindustrie und ausufernden Medizin (Antibiosen, PPIs etc.) 

Diese Befunde sprechen eindeutig dafür, dass es sich beim Reizdarmsyndrom um eine Erkrankung des modernen Lebensstils handelt. Zu wenig Schlaf, westliche Ernährung, chronischer Stress, ein gestörter zirkadianer Rhythmus, Mikronährstoffmängel bei kalorischer Überversorgung und zu wenig Bewegung sind Risikofaktoren für das Reizdarmsyndrom. Dies bedeutet aber auch, dass wir die Entwicklung der nervenden Symptome durch simple Änderungen unseres unnatürlichen Lebensstils rückgängig machen können! (Buscail et al.,2019 ;Johanneson et al.,2015; Zito et al.,2016)

 

Ist der Reizdarm heilbar?

Ja, aber sicher! Auch wenn es noch viele Ärzte und auch einige selbst betroffene Menschen bestreiten mögen. Die Möglichkeit der Heilung des Reizdarmsyndroms, in der Wissenschaft wird dann eher von einer Remission gesprochen ist von den Forschern wiederkehrend und valide belegt worden. Dies geschah durch ganz unterschiedliche Interventionen, die jedoch alle etwas gemeinsam hatten: Sie griffen die bis heute aufgedeckten zentralen Pathomechanismen des Reizdarms an.

 

Dazu gehörten:

  1. Die Hyperplasie und Überaktivität bestimmter Immunzellen mit dem Namen Mastzellen (Stabilisierung durch Dinatriumcromoglicinsäure).
  2. Die übermäßig durchlässige Darmbarriere (sog. Leaky Gut Syndrom) mit bakterieller und endotoxischer Translokation (Regeneration mittels Glutamin und anderen NAIOS). 
  3. Das Bestehen einer Dünndarmdysbiose (früher Dünndarmfehlbesiedlung) mit einer Überwucherung des Dünndarms durch gram-negative Bakterien (Elimination durch Antibiose oder Elementardiät). 
  4. Ein pathologisch verändertes Mikrobiom (Darmflora) mit geringer Artenvielfalt, proentzündlichem Milieu und dominanten potentiell pathogenen Keimen (Erreichen der Remission durch bspw. Stuhltransplantation). 
  5. Chronifizierte gastrointestinale Infektionen durch bspw. Blastocystis hominis (antimikrobielle Strategien).
  6. und weitere

Dass das Reizdarmsyndrom wirklich heilbar ist, habe ich versucht, in diesem ausführlichen Artikel detailliert zu belegen. Du findest dort jede Menge praktische Hinweise und Links zu Originalquellen. 

 

Wie heile ich meinen Reizdarm am schnellsten?

Da es verschiedene Möglichkeiten gibt deinen Reizdarm zu heilen (siehe vorhergehende Antwort) und diese von bestimmten individuellen Faktoren abhängen (nämlich der genetischen Prädisposition, der persönlichen Ursache - etwa gastrointestinale Infektion vs. Lebensstilkonsequenzen - und weiteren Variablen), betrifft der allerwichtigste Schritt, der deinen Heilungsprozess maximal beschleunigen kann, das Aufdecken dieser bei dir einzigartigen Variablen und Krankheitsmechanismen. Kein Betroffener gleicht in seinem Krankheitsgeschehen zu 100% einem anderen, selbst wenn sich die Symptome ähneln über die beide klagen! 

Dies bedeutet, dass du dich einer umfassenden weiterführenden Diagnostik stellen solltest, um heute schon herauszufinden, welcher therapeutische Schritt die größtmögliche Heilkraft entfalten wird. Ich nenne dieses Vorgehen deshalb in Anlehnung an ein magisches Artefakt den "Goldenen Kompass". Inzwischen kennt die Wissenschaft gleich mehrere Untersuchungen, die dir darüber Auskunft geben können, welche Behandlungsmethode für dich bei deinem Reizdarm sinnvoll ist (und welche eben nicht). Das spart dir Geld, Zeit und viel Frust! Diese Gruppe von Labortests hat übrigens nichts mit den typischen Verfahren zu tun, die dein Arzt eingesetzt hat, um die Diagnose Reizdarmsyndrom zu stellen. Diese dienen lediglich dem Ausschluss bedrohlicher Erkrankungen wie Darmkrebs oder Zöliakie, nicht dem Einengen der Krankheitsmechanismen! 

 

Beispiele gefällig? Mittels der molekularbiologischen DNA-Sequenzierung deines Mikrobioms erhältst du Aussagen über die Wahrscheinlichkeit, dass dir eine FODMAP-Diät helfen könnte (aufgrund der Dysbiose mit gram-negativen Bakterien) oder ob eine Stuhltransplantation sinnvoller wäre (aufgrund der Beurteilung des Artenreichtums des Mikrobioms, der so genannten Biodiversität). Mit der Bestimmung des Proteins Zonulin hingegen kannst du vorhersagen, ob du von einer glutenfreien Kost profitieren wirst, welche viele RDS-Betroffene (zumeist jene mit Durchfall als Hauptsymptom) nach einigen Monaten in die Beschwerdefreiheit bringt! So könnte ich jetzt munter weitermachen! 

 

Einige dieser Untersuchungen kann dein Immunologe oder Gastroenterologe auf Kosten deiner Krankenkasse veranlassen. Für andere lohnt sich die Investition in ein gutes privates Labor. Nach dem Entdecken einer "heißen Spur" werden sich die anfänglichen Kosten mehrfach rentieren, das verspreche ich! 

 

Zum Abschluss noch einige sinnvolle Tests zum Aufdecken des persönlichen Krankheitsgeschehens:

  1. DNA-Sequenzierung des Mikrobioms mitsamt funktioneller Parameter; ein Stuhltest zur Beurteilung der Zusammensetzung und Artenvielfalt der Darmflora, welcher auch in wissenschaftlichen Studien verwendet wird; zusätzlich Marker für Entzündungsgeschehen, Darmbarriere, Verdauungsleistung, Pilzbefall, Funktionsfähigkeit der Bauchspeicheldrüse und Gallensäurenabsorption
  2. IgE-Test auf Nahrungsmittelallergien; ein umfassender Bluttest zur Abklärung spezifischer Nahrungsmittelallergien vom Soforttyp
  3. Histamin im Stuhl; ein Stuhltest zur Bestimmung des proentzündlichen Mastzellmediators Histamin als Prädiktor für eine Mastzellaktivierung, Histaminintoleranz oder eine Dysbiose gram-negativer Bakterien
  4. Parasiten im Stuhl; ein Stuhltest zum Screening auf beim Reizdarm häufige chronifizierte gastrointestinale Infektionen mit bspw. Blastocystis hominis
  5. Tests auf Oxidativen und Nitrosativen Stress; Urintests zur Bestimmung der Schäden durch freie Radikale, welche bei RDS gut belegt sind - Prädiktor für den Erfolg des Einsatzes von antientzündlichen und antoxidativen Substanzen, wichtiger Faktor bei der Regulierung der Darmbarriere

Fazit: Das Aufdecken der individuellen Krankheitsmechanismen ist der wichtigste Schritt hin zu einer zielführenden Therapie und schnellen Genesung. Kenne deinen Feind und du ersparst dir 1.000 unnötige Schlachten!

 

Welche drei Therapieansätze sind bei der Behandlung des Reizdarms am effektivsten?

Die Antwort auf diese oft gestellte und nur scheinbar knifflige Frage lässt sich ganz einfach aus den bereits weiter oben gegebenen Antworten ableiten. Es sind nämlich genau jene Interventionen, die sowohl in den ursächlichen westlichen Lebensstil eingreifen und/oder die zugrundeliegenden Krankheitsmechanismen beheben. Vertiefst du dich intensiv in die wissenschaftliche Literatur zum Thema Darmgesundheit und chronische Darmerkrankungen, dann wirst du sehr schnell feststellen, dass die nützlichsten Interventionen, welche den meisten Betroffenen helfen und die stärksten Effekte erzielen, nicht millionenschwere Geschütze der Pharmaindustrie sind, sondern ganz im Gegensatz dazu simple Lebensstilinterventionen (Ernährungsumstellung) und seit Jahrtausenden in der Heilkunde bekannte Verfahren (Mikrobiomtherapie, Stuhltransplantation, (Schein-)Fasten) sind. Die besten Therapieoptionen bei einem Reizdarm sind also außerdem die kostengünstigsten (bzw. -freien), für die du nichts weiter benötigst als die richtigen Informationen! 

 

Hier also eine Auflistung jener drei Behandlungen des Reizdarms, welche sich in der Wissenschaft am besten bewährt haben und in Studien zu starken Effekten und teils zu Heilungen führten:

  1. Eine individuell gesteuerte Ernährungsumstellung zur Immunomodulation, Beeinflussung des Mikrobioms, Regulation der Darmbarriere und Balancierung des Neurotransmittersystems; Stichworte: zeitweilige FODMAP-Reduktion, Bevorzugung löslicher Ballaststoffe, angepasstes Makronährstoffverhältnis, Glutenverzicht, Vermeidung von synthetischen Geschmacks-, Farb- und Konservierungsstoffen sowie von Zucker
  2. Die Stuhltransplantation (Fecal Microbiota Transplant) eines Superspenders zur Wiederherstellung eines gesunden und artenreichen Mikrobioms (Darmflora) mit antientzündlichen und krankheitspräventiven Eigenschaften; erzielte in Studien in vielen Fällen eine Remission auch Monate und manchmal Jahre nach der Intervention
  3. Das regelmäßige (Schein-)Fasten zur Immunomodulation, Förderung eines gesunden Darmmilieus, Linderung von Entzündungen und Anregung der Produktion von Stammzellen; Regelmäßige Fastenzyklen heilen in Studien zuvor induzierte Colitiszustände, reparieren die Darmbarriere und lindern Entzündungen; im Rahmen der Dünndarmdysbiose (früher Dünndarmfehlbesiedlung), dem häufigsten Krankheitsmechanismus beim Reizdarmsyndrom führt Fasten zu besseren Erfolgen als die Standardtherapie mit Antibiotika und erreicht dadurch ebenfalls Remissionen

Neben diesen wirkmächtigen natürlichen Interventionen haben sich aber auch andere Therapien für den Reizdarm etabliert, welche allerdings auf spezifischeren Voraussetzungen basieren. Dazu gehören etwa die Gabe von Glutamin (bei einem postinfektiösen Geschehen mit Störung der Darmbarriere) oder das Stabilisieren der Mastzellen mittels Dinatriumcromoglicinsäure, Ketotifen und anderen Wirkstoffen (bei Hyperplasie und Überaktivität von Mastzellen). 

 

Was sind die besten Medikamente bei der Behandlung des Reizdarms?

Sehr häufig bekomme ich per Mail die Fragen gestellt: "Welche Tabletten wirken gegen Reizdarm?" oder "Was hilft schnell gegen Reizdarm?" Nun, ich denke aus den Antworten auf die vorausgegangenen Fragen geht recht eindrücklich hervor, dass ich eher ein Freund der langfristigen Strategie bin, den Reizdarm endgültig ursächlich zu befrieden, da ich eine Heilung aufgrund der inzwischen belegten Krankheitsmechanismen für möglich halte. Dennoch habe ich als ehemals stark selbst von einem Reizdarmsyndrom des Durchfalltyps Betroffener größtes Verständnis, solltest du jetzt in diesem Moment erst einmal nach einer schnellstmöglichen Erlösung von quälenden Bauchschmerzen und widerlichen Durchfällen suchen, die dir deinen Arbeitsalltag und deine Freizeitgestaltung vermiesen! Über die ursächliche Therapie kannst du dir ja dann immer noch Gedanken machen, wenn es dir schon etwas besser geht ... 

 

Lange Zeit wurde das Reizdarmsyndrom hauptsächlich mit Medikamenten behandelt, welche lediglich symptomatisch wirkten. Diese Wirkstoffe und Arzneimittel nahmen also keinen direkten Einfluss auf zentrale Krankheitsmechanismen oder sogar Ursachen des Reizdarms. Beispiele für diese veralteten Strategien sind Loperamid zur Unterdrückung des Durchfalls via Hemmung der Darmkontraktionen und Flüssigkeitsentzug oder auch Spasmolytika wie Mebeverin. Die Nachteile dieser Medikamente bei einem Reizdarm liegen auf der Hand: Sie wirken nicht gezielt und ihre Effektivität ist dadurch stark eingeschränkt. Aufgrund der breiten Wirkmechanismen haben sie auch zahlreiche nicht erwünschte Wirkungen (besser: Nebenwirkungen). Schließlich kann der Einsatz dieser, übrigens oft gar nicht für die Behandlung des Reizdarmsyndroms zugelassenen (z.B. Loperamid), Medikamente dazu führen, dass weitere Darmstörungen entstehen. So begünstigt etwa die regelmäßige Hemmung des Migrierenden Motorischen Komplexes via Loperamid die Entstehung einer Dünndarmfehlbesiedlung oder Dünndarmdysbiose, dem häufigsten Krankheitsmechanismus des Reizdarms! 

Heute stehen allerdings zur Therapie des Reizdarms Medikamente der neueren Generation parat, welche gezielt auf die zentralen Krankheitsmechanismen einwirken. Sie haben eine hohe, in Studien belegte, spezifische Effektivität auf die Reizdarmbeschwerden und sind gut verträglich. Allerdings sind die meisten dieser Tabletten und Pulver zunächst nur in den USA, in Großbritannien und Japan zugelassen. Deutschland, Österreich und die Schweiz hinken wie immer hinterher. Hier eine Auflistung der wirkungsvollsten Medikamente beim Reizdarmsyndrom:

  1. Dinatriumcromoglicinsäure oder Ketotifen zur Stabilisierung überaktiver Mastzellen; Die beiden Mastzellstabilisatoren können die beim Reizdarm vorliegende Hyperplasie der Mastzellen dauerhaft rückgängig machen und reduzieren dadurch verlässlich die Symptome der Erkrankung. DNCG ist in Deutschland frei verfügbar aber kostenintensiv während Ketotifen kostengünstig aber verschreibungspflichtig ist.
  2. Serotonin-Rezeptor-Antagonisten (Setrone wie Ondansetron, Ramosetron) und Serotoninagonisten (bspw. Minesaprid) zur Regulation des Serotoninstoffwechsels im Darm; Diese Wirkstoffgruppen steigern oder hemmen die Motilität via Regulation des Serotoninsystems im Darm und tragen durch eine verminderte Hypersensitivität auch deutlich zur Schmerzlinderung bei. Leider sind die bisher effektivsten und sichersten Medikamente für den Reizdarm bisher nur in Japan und einigen anderen Ländern zugelassen. In Deutschland verordnen einige progressive Ärzte das Medikament Ondansetron (eigentlich zur Hemmung von Übelkeit und Erbrechen während Chemo oder nach OP) zur Linderung des Durchfallreizdarms off-label. 
  3. Rifaximin, ein lokal im Darm wirksames Breitbandantibiotikum, zur Modulation der Dysbiose des gastrointestinalen Mikrobioms; Rifaximin vermindert erwiesenermaßen nachhaltig alle zentralen Symptome des Reizdarmsyndroms und ist das Standardmedikament zur Behandlung der Dünndarmfehlbesiedlung, eines der bedeutendsten Krankheitsmechanismen beim RDS. Im deutschsprachigen Raum ist das lokal-wirksame Antibiotikum unter dem Namen Xifaxan zur Behandlung des Reisedurchfalls zugelassen und wird oft off-label beim Reizdarm oder der DDFB verordnet. Über den Sinn oder Unsinn einer regelmäßigen Antibiose bei einem bestehenden Reizdarm möchte ich mich hier nicht auslassen. Die Studien zeigen zumindest schnelle Erfolge bei der symptomatischen Linderung des Reizdarmsyndroms, worum es bei dieser Frage ja primär geht ...

 

Ist mein Reizdarm tödlich?

Wehe dir, du kleiner Schelm! Möge dir dein verächtliches Schmunzeln im Halse stecken bleiben! Tatsächlich gehört die Frage, ob ein Reizdarm gefährlich oder gar tödlich sei, zu jenen, die mir sehr häufig per Mail gestellt werden. Oberflächlich scheint die Antwort darauf schlicht und ergreifend "nein" zu lauten, doch ergeben sich aus der Fragestellung verschiedene Antwortebenen. 

Zum einen könnte die Frage ganz allgemein darauf abzielen, ob die Diagnose Reizdarmsyndrom aufgrund ihr eigener biologischer Krankheitsmechanismen die allgemeine Sterblichkeit des Patienten erhöht oder aber seine Lebenserwartung verkürzt. Dies scheint neuesten Studien nach aber nicht der Fall zu sein

Außerdem wäre es auch möglich, dass die Fragesteller sich eher für Komorbiditäten, also im weitesten Sinne Begleiterkrankungen des Reizdarmsyndroms, oder bestimmte Verhaltensweisen interessieren, welche eher zum Tod führen können. Und diese Frage ist auch absolut berechtigt! So ist das Risiko für den Darmkrebs in den ersten zehn Jahren nach einer Reizdarmdiagnose zwar etwas reduziert, aber in den ersten drei Monaten nach Diagnosestellung sogar um den Faktor 8 erhöht. Dies klingt beim ersten Lesen vielleicht seltsam, ist aber reine Logik: Verstärkte Darmbeschwerden wie Bauchschmerzen und Verstopfung plus ausführliche Diagnostik, u.a. Endoskopie, ergeben vermehrte Diagnosen. Auch die Wahrscheinlichkeit später die Diagnose einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa zu erhalten ist mit dem Reizdarm um mehr als das Achtfache erhöht

 

Schließlich sollte auch nicht verschwiegen werden, dass mehr als 90% der Betroffenen mit einem Reizdarmsyndrom auch die Kriterien zur Diagnose einer psychiatrischen Erkrankung erfüllen, sei es eine Depression, eine der vielfältigen Angsterkrankungen, die Panikstörung oder eine Posttraumatische Belastungsstörung. Bei all diesen Erkrankungen und besonders der Depression steigt das Risiko für Suizidgedanken und auch -versuche. Diese sind auch im Rahmen des Reizdarms gut belegt. Solltest du ernsthaft über einen Selbstmord im Zusammenhang mit deiner Darmerkrankung nachdenken, kontaktiere bitte deinen Arzt, Psychotherapeuten oder auch den regionalen Psychosozialen Dienst! Auch wenn dieser Zusammenhang für Außenstehende fast unglaublich klingen mag: Der Reizdarm mindert massiv die Lebensqualität und hat enorme finanzielle, psychologische und soziale Konsequenzen. In einer eigenen, noch unveröffentlichten, Erhebung gaben 25% der befragten RDS-Patienten an bereits einmal ernsthaft über einen Suizid als Lösung für ihre Probleme nachgedacht zu haben, während sechs von 300 auch einen Suizidversuch unternommen hatten. Also: Auch als Angehöriger solltest du Hinweise in diese Richtung nicht weglächeln! Nimm die Sache ernst, bevor du sie nicht mehr gerade rücken kannst, denn so etwas bereut man sein ganzes Leben lang. 

 

Was sollte man bei einem Reizdarm meiden?

Was sollte man meiden, wenn man unter einem Reizdarmsyndrom leidet? Natürlich alle Lebensmittel, Verhaltensweisen und sonstigen Reize, die entweder Symptome provozieren (so genannte Triggerfaktoren) oder aber die Krankheitsmechanismen und -ursachen des Reizdarms befeuern! In der Antwort auf eine der vorausgegangenen Fragen ("Woher kommt der Reizdarm?") habe ich dir erläutert, dass das Reizdarmsyndrom eng mit unserem westlichen Lebensstil verknüpft ist. Aus diesem Grund gehören auch viele der bekannten Triggerfaktoren und die Krankheit aufrecht erhaltenden Variablen zu unseren Alltagsgewohnheiten. Es könnte dir also im ersten Moment sehr schwer fallen, gerade auf diese Dinge zu verzichten. Doch meidest du die folgenden Dinge konsequent über die nächsten Monate wirst du erkennen, dass es dir schon bald sehr viel besser geht als heute. 

 

Was solltest du bei einem Reizdarm unbedingt meiden? Meine TOP-5 nach Datenlage:

  1. Synthetische Lebensmittelzusätze: künstliche Farb-, Geschmacks- und Konservierungsstoffe; Lebensmittelzusätze begünstigen die Entstehung und Aufrechterhaltung von Darmerkrankungen via Dysbiose des Mikrobioms, Störung der Darmbarriere und Aktivierung des Immunsystems. Viele Reizdarmpatienten reagieren auf ihre Präsenz mittels Hypersensitivität oder gar Allergie (v.a. bei Lebensmittelfarben). 
  2. Gluten; Gluten spielt eine zentrale Rolle bei der Zöliakie aber auch der Nicht-Zöliakie-Glutensensitivität (NZGS). Letztere ist beim Reizdarm häufig und durch Darm- und systemische Beschwerden gekennzeichnet. Beim Reizdarm finden sich, im Gegensatz zu bspw. Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, verstärkt zöliakieähnliche Veränderungen. Durch eine sechsmonatige glutenfreie Kost wurden 49%(!) der an einer Studie teilnehmenden Reizdarmpatienten vollständig beschwerdefrei.
  3. Zucker; Die allermeisten Deutschen nehmen deutlich zu viel Zucker zu sich. Unter den jüngeren Kohorten erreicht der Zucker bspw. beinahe ein erschreckendes Fünftel der täglichen Gesamtkalorienmenge. Dies hat dramatische Auswirkungen auf deine Darmgesundheit! Zucker führt zu einer Dysbiose, einer gestörten Darmbarriere mit bakterieller Endotoxämie, Immunaktivierung, sowie lokalen und systemischen Entzündungsprozessen. In Anlehnung an unser Konzept des RDS als "Zivilisationskrankheit" ist festzuhalten, dass unsere Vorfahren noch vor 200 Jahren kaum an größere Mengen freien Zuckers herankamen. Aus gutem Grund! 
  4. Stress; Akuter und chronischer Stress sind Haupttriggerfaktoren bei einem Reizdarmsyndrom via Modulation der Darmflora, Sympathikusaktivierung und eine Störung der Immunbalance
  5. Schlafmangel bzw. schlechte Schlafqualität; Die Störung des zirkadianen Rhythmus, also der Feinabstimmung des Schlaf-Wach-Rhytmus, hat verheerende Konsequenzen für unser Darmmilieu. Zu den Variablen, die deine inneren Uhren negativ beeinflussen, gehören zu spätes Abendessen (oder Chips vor dem Fernseher), Konsum von Stimulanzien wie Koffein, blaues Licht am Abend (Fernsehen, Smartphone usw.), Schichtarbeit, aufregende Stimmung am Abend (Parties, Kino, aufwühlende Lektüre, viele unvertraute Gesichter), Lichtquellen während des Schlafes (Radiowecker mit Digitalanzeige usw.), zu warme Temperaturen ...