Das besonders Tückische an deinen Reizdarm ist die enorme Vielfalt der durch ihn erzeugten Beschwerden. Die berichteten Symptome reichen dabei von den klassischen Darmleiden Durchfall, Verstopfung, Bauchschmerzen und Blähungen bis hin zu weniger typischen extra-intestinalen Reizdarm-Symptomen wie Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und Erschöpfung. Auch der obere Verdauungstrakt ist häufig betroffen und sowohl Appetitlosigkeit als auch Übelkeit Reizdarm-Symptome. Um dieses Chaos noch perfekt zu machen, unterscheiden sich diese Symptomkomplexe in ihrer individuellen Kombination auch noch abhängig vom Geschlecht und Alter der Betroffenen. Du hast richtig gelesen: Die Beschwerden männlicher RDS-Patienten unterscheiden sich maßgeblich von den Reizdarm-Symptomen der Frau, was unter anderem dafür sorgt, dass sich die Geschlechter in verschiedenen Subgruppen wiederfinden (Frauen sind beim Verstopfungstyp RDS-O vielfach überrepräsentiert). Leider werden diese Zusammenhänge viel zu selten kommuniziert, was nicht selten zu Verunsicherungen der Patienten führt. Könnte es sich aufgrund der zusätzlich vorhandenen Kopfschmerzen und Erschöpfung vielleicht doch um eine andere, vielleicht bedrohlichere, Erkrankung handeln? Bin ich überempfindlich und bilde mir das Herzrasen und die Nackenverspannung nur ein? Was bedeutet eigentlich der ständig auftretende Schleim im Stuhl?
Auf dieser Seite zeige ich dir detailliert, welche Reizdarm-Symptome absolut normal sind und bei welchen Beschwerden du lieber deinen Arzt konsultieren solltest. Los geht´ s!
Das RDS-D ist gekennzeichnet durch Durchfall oder weichen bzw. breiigen Stuhl und oft krampfartige Bauchschmerzen. Für das RDS-O hingegen sind eine massive Verstopfung, harter Stuhl und Anstrengungen beim Stuhlgang und dem Ablassen von Blähungen charakteristisch. Die Bauchschmerzen sind beim RDS-O oft dumpf und dauerhaft zu spüren., während sie beim RDS-D eher anfallsweise und schneidend scharf auftreten. Der Reizdarm vom Mischtyp oder kurz RDS-A (für alternierend) ist durch längere Phasen mit Verstopfung geprägt, welche durch Tage mit teils wässrigem Durchfall unterbrochen werden. Beim RDS-A handelt es sich also um eine Kombination aus RDS-D und RDS-O. Je nach Phase verändert sich die Qualität und Intensität der Bauchschmerzen. Es besteht eine Neigung zu Blähungen. Der Reizdarm vom Durchfalltyp und vom alternierenden Typus sind eher durch eine Immunaktivierung (Mikroentzündungen) und durch eine Wasserstoffproduktion durch die Darmflora gekennzeichnet. Dadurch leiden diese Reizdarmbetroffenen eher unter systemischen und psychiatrischen Symptomen. Bei einem RDS-U (für unkategorisiert) stehen vor allem Bauchschmerzen und ausgeprägte Blähungen (durch Fermentation) im Vordergrund. Der postinfektiöse Reizdarm entspricht in der Symptomatik dem RDS-D, wobei die Durchfälle und Bauchschmerzen häufig intensiver sind und auch systemische Symptome gehäufter auftreten.
Grundsätzlich unterteilen wir die Symptome des Reizdarms in gastrointestinale (auf Magen und Darm bezogen) und extraintestinale bzw. systemische Symptome (außerhalb des Darms).
Für den Zweck einer besseren Übersichtlichkeit unterscheide ich hier noch einmal zwischen typischen Reizdarm-Beschwerden, welche dem oberen oder unteren Verdauungstrakt zugeordnet werden können.
Reizdarm-Symptome, welche sich auf Mundraum, Speiseröhre oder Magen beziehen
Reizdarm-Beschwerden, welche sich auf Darm und After beziehen
Der Schleim im Stuhl gehört so stark zum Reizdarm, dass der erste vorgeschlagene Name für unsere Erkrankung tatsächlich einmal Mucous Colitis (schleimige Colitis) lautete (Wilson, 1909)! Über 50% der Reizdarmbetroffenen berichten über Schleim im Stuhl als eines ihrer Symptome (Ghoshal und Kollegen, 2008). Obwohl noch nicht abschließend geklärt ist, warum es zu diesem Abgang von Schleim kommt, zeigten Studien, dass keine gesundheitlichen Gefahren mit diesem Symptom verbunden sind.
Kommt es erst nach dem Frühstück zu den Symptomen Bauchschmerzen und Durchfall, kann eher der gastrokolische Reflex verantwortlich gemacht werden. Dieser bezeichnet die Reaktion des Dickdarms auf eine Reizung des Magens ("Platz schaffen"). Der gastrokolische Reflex ist bei Reizdarmpatienten übermäßig stark ausgeprägt (Deiteren und Kollegen, 2010). Du stehst vor genau diesem Problem und weißt nicht, was du vor der Schule, der Uni oder Arbeit essen sollst? Dann probiere doch einmal mein Reizdarm-Frühstück, welches deinen Darm für den Tag stabilisiert, lästifge Beschwerden verhütet und dir ordentlich Kraft liefert!
Verantwortlich für diese sonderlichen Symptome des Reizdarms sind nach Einschätzung der Forscher vor allem die Darmbarriere durchdringende Mikroorganismen und Toxine (Undseth und Kollegen, 2016). Die Darmbarriere von Patienten mit einem Reizdarmsyndrom ist durchlässiger als bei gesunden Vergleichspersonen. So können Proteine, Mikroorganismen und andere Eindringlinge in unseren Organismus gelangen und lokale oder systemische Reaktionen unseres Körpers hervorrufen.
Die beiden Koryphäen auf dem Gebiet der Reizdarmforschung beobachteten tausende von Patienten. Die folgende Auflistung ist ihre Zusammenfassung der am häufigsten berichteten systemischen Symptome.
Häufigste systemische Beschwerden bei einem Reizdarmsyndrom nach Palsson und Whitehead
Unbedingt! Es sollte dich erst einmal beruhigen, dass vier von fünf Reizdarmbetroffenen ebenfalls unter diesen Symptomen leiden. Es muss also keinesfalls ein Anzeichen für eine andere, vielleicht sogar bedrohliche, Erkrankung sein. Allerdings ist es tatsächlich möglich, gleichzeitig "Läuse und Flöhe" zu haben, wie mein Immunologe immer zu sagen pflegt (ein wirklich großartiger Arzt übrigens). Man sollte also nicht den Fehler begehen und alle neu auftauchenden Symptome dem Reizdarm anhängen. Auch wir können natürlich eine Schilddrüsenstörung, einen Diabetes mellitus und andere Zivilisationserkrankungen bekommen. Also bespreche bitte jedes auftretende Symptom mit deinem Arzt, damit dieser es in deine Krankengeschichte und Laborwerte einordnen kann. Sie oder er wird dann schon wissen, ob vielleicht ein aufklärender Test benötigt wird. Tue mir den Gefallen und gehe einen sicheren Weg!
Diese enorme Häufung hat mehrere Gründe: Zum einen zeigen viele Betroffene diese psychischen Symptome schon vor der Entwicklung des Reizdarms (Spiller und Lam, 2012). Stress- und Angsterleben dysregulieren das Immunsystem derart, dass dieses seine Reaktionen auf eine Infektion (etwa eine Magen-Darm-Grippe) nicht mehr kompensieren kann. Außerdem spielen natürlich Bewältigungsprobleme bezüglich der Symptome des Reizdarms eine große Rolle. Oft haben die Betroffenen Schwierigkeiten, ihren Alltag ohne Einschränkungen zu meistern. Es entstehen Schwierigkeiten im Freundeskreis oder am Arbeitsplatz. Die depressiven Verstimmungen sind dann reaktiv auf diese Situationen zu verstehen. Ängste entstehen häufig bezüglich der Darmfunktionen: "Ich kann keinesfalls mit ins Kino gehen. Was ist, wenn ich dort mit heftigem Stuhldrang plötzlich den Saal verlassen muss oder mir sogar in die Hosen mache?" Dies kann die Betroffenen in ein extremes Vermeidungsverhalten treiben. In beiden Fällen sind die psychischen Symptome als Folge des Reizdarms zu interpretieren
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Schließlich muss noch festgehalten werden, dass durch die erwiesene Störung der Hirn-(Mikrobiom)-Darm-Achse tatsächlich auch eine Veränderung des Erlebens und Verhaltens der Reizdarmpatienten erfolgt (Moser und Kollegen, 2017). Psychische Symptome sind also unumgänglich mit dem Reizdarm verbunden, auch wenn dieser natürlich keine psychische Erkrankung ist.
Untersuchungen zeigen, dass tatsächlich über 70% der Reizdarmpatienten ein oder mehrere Red-Flag Symptome zeigen (Black und Kollegen, 2012). Dennoch leiten die behandelnden Ärzte selten abklärende Tests ein. Das ist ein hochproblematisches Versäumnis seitens der Mediziner. Nimm die folgenden Symptome deshalb ernst und stelle dich eventuell auch bei einem anderen Arzt vor, wenn dein behandelnder Gastroenterologe diese besonderen Symptome ohne weitere Diagnostik einfach deinem Reizdarm zuschreibt!
Blut im Stuhl (Hämatochezie) kann ein Hinweis auf eine ernste Erkrankung sein. Als mögliche Ursachen sind Blutungen im oberen Verdauungstrakt (etwa Magengeschwüre, Entzündungen der Speiseröhre, Lebererkrankungen) als auch im unteren Verdauungstrakt (z.B. Tumore des Dünndarms, Divertikulitis, chronische-entzündliche Darmerkrankungen) in Betracht zu ziehen. Ein für den Reizdarm weitaus typischeres Symptom, die Hämorrhoiden, sind ebenfalls in der Lage Blut im Stuhl zu verursachen. Die Blutungen sind dann eher hellrot gefärbt und vermischen sich teilweise mit dem, ebenfalls für einen Reizdarm typischen, Schleim. Hämorrhoiden sind für den größten Anteil von Blut im Stuhl bei einem Reizdarm verantwortlich.
Nächtliche Beschwerden zählen ebenfalls zu den Alarmzeichen. Die Symptome des Reizdarms zeigen sich meist tagsüber mit einer deutlichen Häufung bzw. einem Anstieg der Intensität in den frühen Morgenstunden. Nachts werden die meisten RDS-Betroffenen hingegen von den quälenden gastrointestinalen Beschwerden verschont. Wachst du nachts regelmäßig mit Bauchschmerzen auf, oder musst sogar die Toilette aufsuchen, dann könnte eher eine andere Erkrankung für deine Beschwerden verantwortlich sein.
Auch als Alarmsignal wird ein plötzlicher Beginn der Symptome eines Reizdarms nach dem 50. Lebensjahr gewertet. Wie im vorhergehenden Abschnitt bei der Epidemiologie erläutert, entwickelt sich der Reizdarm am häufigsten im jungen Erwachsenenalter, während das Alter einen gewissen "Schutz" vor unserer Erkrankung zu bieten scheint. Treten Symptome wie Bauchschmerzen, Durchfall, Verstopfung und Blähungen im höheren Lebensalter erstmals auf, sollte definitiv noch strikter bei der Erforschung von Ursachen vorgegangen werden. Ein Reizdarm ist dann eher untypisch (aber dennoch möglich).
Zu den weiteren Red-Flag Symptomen bei einem Reizdarm gehören Fieber, Gewichtsverlust (bei unveränderter Kost! Vorsicht bei Eliminationsdiäten!), Anämie (Blutarmut) und Inkontinenz. Diese Beschwerden sind absolut untypisch für den Reizdarm und legen eine andere Ursache nahe. Ebenfalls zu beachten ist eine positive Familienanamnese hinsichtlich gastrointestinaler Tumoren (Darmkrebs). Hier sollte eine genaue Prüfung der Beschwerden erfolgen.
Halten wir noch einmal fest: Für den Reizdarm sind einige Symptome eher untypisch. Sie werden als Red-Flag Symptome zusammengefasst, da sie unter Umständen auf eine andere, eventuell gefährliche Erkrankung hindeuten können. Eine spezifische Prüfung durch den Arzt ist deshalb vonnöten. Allerdings leiden mehr als zwei von drei Reizdarmpatienten unter einem oder mehreren dieser Red-Flag-Symptome. Hinter diesen verbergen sich häufig auch unproblematische Ursachen. So leidet über ein Drittel der von einem Reizdarm betroffenen Personen an Blut im Stuhl. Die verbreitetste Ursache sind dabei Hämorrhoiden. Weiterhin verliert mehr als jeder fünfte Reizdarmpatient Gewicht. Viel häufiger als eine zugrundeliegende organische Erkrankung finden sich die Ursachen dieses Gewichtsverlustes in der oft vorhandenen Appetitlosigkeit oder in einer extremen Ausführung von Eliminationsdiäten.
Hier noch einmal die Red-Flag-Symptome des Reizdarmsyndroms in einer Übersicht:
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