Reizdarm-Symptome bei Frauen: Warum das weibliche Geschlecht mehr tun muss, um seinen Reizdarm loszuwerden.

Einen Reizdarm behandeln ist heute eigentlich kein Problem mehr. Die Wissenschaft etablierte gerade in der jüngeren Vergangenheit gleich mehrere Therapieverfahren, welche die lästigen Reizdarm-Symptome wie Bauchkrämpfe, Blähungen, Durchfälle oder Verstopfung verlässlich und nebenwirkungsarm lindern können. Eindrucksvolle Interventionsstudien belegen heute sogar in regelmä´ßigen Abständen, dass das der Reizdarm heilbar ist und rütteln damit am weit verbreiteten Mythos der funktionellen und unheilbaren Erkrankung! Der von mir als ehemaligem schwer betroffenen RDS-Patienten am meisten gehasste Satz "Sie müssen lernen, mit Ihren Beschwerden zu leben" hat damit endlich ausgedient und sollte für immer aus dem Phrasenkatalog praktischer Mediziner verbannt werden! 

 

Obwohl Frauen deutlich häufiger über die klassischen Symptome der Erkrankung klagen, neigen gerade sie zu angeblich "sanften Behandlungsmethoden". Nun bin ich sicherlich der Allerletzte, der etwa der Homöopathie beim Reizdarm ihren Nutzen absprechen würde[1]. Und gleiches gilt prinzipiell auch für andere Naturheilverfahren wie die Akupunktur, die Kräuterheilkunde oder das Reizdarm-Yoga, welche allesamt ihr therapeutisches Potenzial bei der Linderung chronischer Darmbeschwerden unter Beweis gestellt haben[2][3][4]. Die Effekte vieler dieser natürlichen Behandlungsmethoden gingen in Untersuchungen mitunter sogar weit über jene von Medikamenten hinaus. Immerhin fast die Hälfte aller RDS-Patienten nutzt regelmäßig alternative Heilmethoden oder naturheilkundliche Verfahren. Dabei bilden Frauen den absoluten Löwenanteil dieser Gruppe[5]. Doch obwohl diese Therapieansätze und auch viele Reizdarm-Hausmittel nachweislich über eine gute Wirksamkeit bei vergleichbar geringen Nebenwirkungen verfügen, ist gerade das weibliche Geschlecht deutlich anfälliger für eine nicht ausreichende Kontrolle der Reizdarm-Beschwerden. Ganzheitliche Therapiekonzepte unter Einbeziehung von Lebensstilfaktoren, Medikamenten und auch naturheilkundlichen Verfahren sind oftmals notwendig, um nennenswerte Verbesserungen zu erzielen[6].

 

Warum gerade DU als Frau dich keinesfalls auf singuläre Behandlungen mittels bspw. Probiotika, Heilerde und Co. verlassen solltest, sondern bei der Bewältigung deines Reizdarmsyndroms eher noch eine Schippe draufpacken musst, möchte ich dir anhand ausgewählter wissenschaftlicher Untersuchungen in diesem Artikel erklären. 

 

Inhalt: Frauen und das Reizdarmsyndrom

Frauen sind deutlich häufiger von Reizdarm-Symptomen betroffen als Männer

Seit Jahrzehnten ist aus der epidemiologischen Forschung bekannt, dass Frauen signifikant häufiger über die Beschwerden einer Reizdarm-Erkrankung berichten als Männer. Je nach Untersuchung beträgt das Geschlechterverhältnis 1,5 bis 3 Frauen auf einen männlichen RDS-Betroffenen[7]. Dieses Ungleichgewicht bei der Verteilung des Reizdarms fiel bereits jenen praktizierenden Ärzten des vergangenen Jahrhunderts auf, welche sich erstmals mit der neuen Erkrankung Reizdarmsyndrom konfrontiert sahen[8]. In Kombination mit den ebenfalls häufig dokumentierten psychologischen Auffälligkeiten der meist jungen Patientinnen führte dieser Umstand zur unschönen Charakterisierung der Erkrankung als "somatische Neurose der unterforderten, zur Selbstbeobachtung neigenden, Hausfrau". Ein bösartiges Klischee, welches aber natürlich dem damals verbreiteten Rollenbild entsprach. 
Deutliche Unterschiede bei der Geschlechterverteilung finden sich aber auch für die Subtypen des Reizdarmsyndroms. Da die Krankheit durch die Kombination von regelmäßigen Bauchschmerzen mit verschiedenen Stuhlunregelmäßigkeiten gekennzeichnet ist, unterscheiden die Ärzte Unterkategorien des Reizdarms anhand der dominant vorliegenden Symptome. Frauen sind dabei besonders häufig und stark vom so genannten Verstopfungstyp (RDS-O - für Obstipation) oder dem Mischtyp (RDS-M) betroffen[9]. Bei letzterem leiden die Patienten unter einem Wechsel aus andauernder Verstopfung, unterbrochen von regelmäßigen Durchfällen oder mit weichem bzw. breiigem Stuhl. Beim Durchfalltyp hingegen gleicht sich das Geschlechterverhältnis beinahe an. 

Frauenbild, Scham und Arztbesuche: Stimmt die Statistik?

Schon frühzeitig wurde angezweifelt, ob das disproportionale Geschlechterverhältnis beim RDS auch tatsächlich die Realität abbildet. So ist in der Forschungsliteratur etwa gut belegt, dass Frauen in medizinischen Dingen deutlich eher professionelle Hilfe in Anspruch nehmen als Männer. Dies gilt für Präventionsangebote ebenso, wie für therapeutische Maßnahmen. Beim Reizdarmsyndrom ist ausgeprägte Scham aufgrund der tabuisierten Symptome Durchfall, Blähungen usw. einer der gewichtigsten Antreiber, um einen Arzt aufzusuchen[10]. Aufgrund immer noch verbreiteter Klischees sind Frauen deutlich anfälliger für diese Schamempfindung (Stichwort: harte Männer auf der Baustelle - bei denen ein kräftiger Darmwind quasi zum guten Ton gehört vs. die schicke Sekretärin im Business-Kostüm). Leider muss ich auch von meinen Klientinnen immer wieder hören, dass diese sich aufgrund ihrer Darmsymptome für "eklig" oder "abstoßend" hielten. Von meinen männlichen Klienten habe ich das in dieser Form praktisch noch nie zu hören bekommen. Die Reizdarm-Symptome sorgen durch ein spezifisches Frauenbild also noch einmal für zusätzliche Belastungen und Bedürfnisse (Als ob das Leben mit dieser Erkrankung nicht ohnehin anstrengend genug wäre). 
Ist die hohe Betroffenenzahl unter Frauen also lediglich ein statistisches Artefakt, weil Männer besser mit den Darmbeschwerden leben können? Nein. Inzwischen verfügen wir über genug Evidenz, dass Frauen einige biologische und psychologische Besonderheiten zeigen, welche sie für die Entstehung des Reizdarmsyndroms anfälliger machen. Auch in zahllosen Prävalenzabschätzungen, die nicht auf bspw. Krankenkassendaten, sondern auf Stichproben-Befragungen beruhen, ist das weibliche Geschlecht deutlich überrepräsentiert. 
Ziehen wir uns zur Illustration dieses Sachverhaltes einmal einen der erheblichsten Risikofaktoren für die Entwicklung eines Reizdarms heran: die akute, infektiöse Gastroenteritis (zu deutsch: die gute alte Magen-Darm-Grippe - jeder kennt sie, jeder liebt sie). Diese erhöht die Wahrscheinlichkeit, in den Folgemonaten nach der eigentlichen Infektion ein RDS zu entwickeln, um den Faktor 8! Vermittelt wird dieses enorme Risiko über ein Entgleisen der Immunantwort mit einer mangelhaften Regulation spezifischer Immunzellen. Mikroentzündungen und ein verändertes gastrointestinales Immunsystem sind nur zwei der vielen unschönen Konsequenzen. Doch was genau hat dieser Umstand mit deinem Geschlecht zu tun? Nun, das weibliche Geschlecht ist wiederum der größte Risikofaktor, dass aus einer Magen-Darm-Grippe ein chronischer Reizdarm erwächst und zwar noch deutlich vor dem Schweregrad und der Dauer der Infektion[11]. Hierbei spielen genetische, immunologische und auch psychologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern eine bedeutende Rolle, auf die wir noch zu sprechen kommen werden. Aus psychoneuroimmunologischer Sicht muss etwa betont werden, dass Ängste und Depressionen die Regulation der überschießenden Immunantwort verhindern können. Auch diese sind unter Frauen deutlich stärker verbreitet[12].
FAZIT: Frauen sind tatsächlich deutlich häufiger von einem Reizdarmsyndrom betroffen. Dies ist nicht allein Folge von Rollenbildern und unterschiedlichen Bedürfnissen oder Bewältigungsstilen, sondern beruht auf manifesten biologischen Unterschieden.

Frauen, Reizdarm & Endometriose

Zu den geschlechtsspezifischen Besonderheiten beim Reizdarmsyndrom gehört gehört der enge Zusammenhang zwischen Reizdarm und Endometriose. Letztere ist eine chronische Erkrankung der Frau, bei welcher der Gebärmutterschleimhaut ähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutterhöhle vorkommt. Während des Menstruationszyklus kommt es dann zu Gewebeveränderungen mit Narbenbildungen und mitunter starken Schmerzen, welche zumeist den Unterbauch bzw. die Beckenregion betreffen. Zu den verbreitetsten Beschwerden der Endometriose gehören neben Bauchschmerzen dann auch Stuhlunregelmäßigkeiten, über welche immerhin fast vier von fünf Patientinnen klagen. Ein typisches Reizdarm-Symptom der Frau ist Übelkeit. Auch diese könnte, neben dem häufig ebenfalls vorhandenen Reizmagen, einer Endometriose geschuldet sein. 

 

Aktuelle Metadaten zeigen, dass Frauen mit einer Endometriose ein mindestens doppelt so hohes Risiko haben, an den Aymptomen des Reizdarmsyndroms zu leiden als jene ohne die Erkrankung[13]. Da es sich beim Reizdarmsyndrom bisher immer noch um eine Ausschlussdiagnose ohne konkrete Biomarker handelt, die anhand klinischer Kriterien gestellt wird, kann die eine Endometriose also durchaus eine Ursache für deine Darmbeschwerden sein. Jede Leserin mit einem Reizdarmsyndrom sollte sich also auch gynäkologisch gründlich untersuchen lassen, vor allem wenn ein zeitlicher Zusammenhang der Beschwerden zur Regelblutung besteht. Dies ist unumgänglich, um eine zielgerichtete und effektive Therapie einzuleiten[14]. Beide Erkrankungen teilen übrigens viele Krankheitsmechanismen, von Mikroentzündungen bis Immunaktivierung. 

 

WARUM sind Frauen deutlich häufiger vom Reizdarmsyndrom betroffen?

Generell muss erst einmal festgehalten werden, dass die Grundlage der Erkrankung genetischer Natur ist[15]. Wie bei den Cousinen des Reizdarmsyndroms, den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, führen jedoch erst verschiedene Umweltereignisse bzw. eine Kombination ungünstiger Faktoren zur Entstehung der Erkrankung. Die genetischen Prädiktoren stellen also den fruchtbaren Boden bereit, während Fehlernährung, eine Darminfektion oder wiederholte Antibiotika-Gaben den Samen symbolisieren. Beide Variablen sind notwendig, um die Erkrankung buchstäblich sprießen zu lassen. Bei der Verteilung der relevanten genetischen Risikofaktoren lassen sich aber erst einmal keine Geschlechterunterschiede erkennen. Der Schlüssel zur Beantwortung unserer Frage muss also in den externen Einflussfaktoren im Lebensverlauf bzw. in der Biologie der Frau zu finden sein. 
Bezüglich letzterer sind gleich mehrere physiologische Geschlechterdifferenzen für den Reizdarm relevant[16]. Dazu gehören hauptsächlich: 
  1. erhebliche Unterschiede bei der gastrointestinalen Transitzeit von Nahrungsbrei und Stuhl
  2. unterschiedliche viszerale Wahrnehmungsschwellen (viszerale Sensitivität)
  3. eine andere Schmerzwahrnehmung und -weiterleitung im Zentralen Nervensystem
  4.  darmspezifische Effekte weiblicher Sexualhormone
  5. starke Unterschiede im neuroendokrinen System
  6. eine andere Stressreaktivität
  7. unterschiedliche vegetative Ladungen (Autonomes Nervensystem: Parasympathikus vs. Sympathikus)

Um den Inhalt dieses Artikels nicht allzu sehr mit wissenschaftlichen Details zu überfrachten, spare ich mir an dieser Stelle eine ausführliche Betrachtung der einzelnen Punkte und verweise besonders neugierige Leserinnen auf die Grundlagenarbeit von Lin Cheng und Margaret Heitkemper im Fachblatt Gastroenterology

 

Gern möchte ich dir aber wieder anhand eines ausgewählten Aspektes demonstrieren, warum Frauen unbedingt anders mit ihrem Reizdarm umgehen müssen als Männer. Experimente verdeutlichen, dass das weibliche Sexualhormon Östrogen so genannte Spurenamine im Darm modulieren kann. Eine solche gesteigerte Konzentration von Spurenaminen führt nicht nur zu einem proentzündlichen Milieu, sondern auch zu einer herabgesetzten Integrität deiner Darmbarriere (dem Leaky Gut Syndrom). Darauf spezialisierte Wissenschaftler stellten kürzlich die Hypothese auf, dass dieser Zusammenhang die Überschneidungen zwischen Reizdarmsyndrom, dem weiblichen Geschlecht, Fehlernährung und einer Dysbiose der Darmflora vermitteln könne[17]. 

 

Hat ein ungünstiger Lebensstil für den Darm einer Frau heftigere Konsequenzen?

Du weißt also jetzt, dass du ein höheres Risiko für den Reizdarm hast und dass dieses durch biologische Unterschiede zwischen Mann und Frau erklärbar ist. Das ist an sich natürlich schon etwas ungerecht, doch du musst jetzt noch tapferer sein! Aufgrund dieser mitunter erheblichen Unterschiede hinsichtlich der Sexualhormone, der Stressreaktivität oder auch der Schmerzverarbeitung wirken sich deine Alltagsentscheidungen deutlich massiver auf deine Reizdarm-Symptome aus. Dies betrifft unter anderem:
  1. ein Zuwenig an körperlicher Bewegung[18]
  2. regelmäßigen Kaffee-Genuss[19]
  3. zu wenig Schlaf[20]
  4. ungünstiges Essverhalten[21]
  5. Alkohol[22]
  6. chronischen Stress in Privatleben oder Beruf[23]

Mit anderen Worten: Während deine männlichen Leidensgenossen mit einem Reizdarm mit vielen Gesundheitssünden im Alltag noch ungeschoren davon kommen, können sich bei dir als Frau bereits kleinste Schnitzer durch quälende Symptome wie Bauchschmerzen, Blähungen oder Durchfälle bemerkbar machen! 

Um dir einmal zu verdeutlichen, wie empfindlich das weibliche Geschlecht auf diese Lebensstilfaktoren beim Reizdarm reagiert, möchte ich erneut knapp die Ergebnisse einer relevanten Studie vorstellen. In einer Untersuchung führte bereits das Trinken von einer Tasse Kaffee pro Woche(!!!) zu einem signifikant steigenden RDS-Risiko und zwar für beide Geschlechter. Allerdings fand sich mit einer steigenden Menge konsumierten Kaffees ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Schwere der Reizdarm-Symptome ausschließlich für Frauen. Noch einmal dramatisch verstärkt wurde die Assoziation, wenn die weiblichen Probanden einen Body-Mass-Index (BMI) von 25 aufwiesen. Und ganz ähnlich verhält es sich mit dem Rotwein am Abend, dem Bewegungsmangel (in Untersuchungen führten Schrittzahlen unter 10.000/Tag zu RDS-Beschwerden) usw. 

 

Die hier präsentierten Erkenntnisse haben zwei Konsequenzen. Auf der einen Seite bedeuten sie schlicht und ergreifend, dass du als Frau einen ordentlichen Mehraufwand betreiben musst und einfach strenger bei deiner Diät, deiner Schlafhygiene etc. sein solltest. Aber ich habe auch eine positive Nachricht für dich: Selbst geringste Veränderungen deines Alltags, wie die Erhöhung der Schrittzahl oder 3x30 Minuten wöchentlich auf dem Fahrradergometer, erreichen in Studien an Frauen erhebliche Verbesserungen der Reizdarm-Symptome und der zugrundeliegenden biologischen Krankheitsmechanismen[24].

 

FAZIT: Als Frau mit Reizdarm musst du einfach deutlich mehr tun, um deine Beschwerden im Griff zu haben und deine Erkrankung perspektivisch vielleicht sogar in eine Remission bringen zu können!

 

Solltest DU als Frau deinen Reizdarm anders behandeln als ein Mann?

Kurze Antwort: Ja, absolut! Das ergibt sich schon aus der Lektüre der letzten Abschnitte bzw. der Betrachtung der angeführten wissenschaftlichen Untersuchungen. Dein Therapiekonzept sollte sich im Idealfall von jenem eines männlichen RDS-Patienten unterscheiden. Selbst die Auswahl geeigneter pharmakologischer Ansätze sollte durch das Geschlecht bestimmt werden, um eine möglichst hohe Effektivität zu gewährleisten[25]. 

Hier erst einmal einige Grundpfeiler für die Gestaltung deiner RDS-Behandlung: 

  1. Als Frau mit einem Reizdarmsyndrom solltest du unbedingt holistisch/ganzheitlich arbeiten. Kombiniere medikamentöse Ansätze mit Lebensstilinterventionen, Ernährungstherapie und naturheilkundlichen Verfahren. 
  2. Sei bitte besonders streng bei den Risikofaktoren bzw. Triggerfaktoren der Reizdarm-Symptome der Frau. Meide Kaffee, Alkohol und Zucker, treibe regelmäßig Sport und achte vor allem auf deine Schlafhygiene und dein Stressmanegement. 
  3. Kümmere dich um eine Balance deiner Sexualhormone, um extreme Hormonschwankungen zu vermeiden.  

Im folgenden Abschnitt werde ich dir noch einige konkrete Hinweise geben, wie du deine weibliche Reizdarm-Erfolgsgeschichte starten kannst! 

 

Konkrete Empfehlungen: Reizdarm behandeln speziell für Frauen

Bevor du motiviert in deine RDS-Therapie startest, sollten natürlich alle möglichen alternativen Erkrankungen, welche die Beschwerden auslösen könnten, ausgeschlossen worden sein. Dazu gehören:
  1. die "Klassiker": Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, Mikroskopische Colitis, Zöliakie, Schilddrüsenerkrankungen, Parasitosen (wird im Normalfall vom Arzt vorgenommen)
  2. die "Unbeachteten": Dünndarmfehlbesiedlung, Nicht-Zöliakie-Glutenunverträglichkeit, systemische Nickelallergie, Nahrungsmittelallergien, Gallensäureverlustsyndrom, Bauchspeicheldrüsenschwäche etc. (das Aufdecken einer dieser Störungen hinter den Reizdarm-Symptomen kann deine Linderung oder gar Heilung deutlich erleichtern oder beschleunigen)

Und schließlich solltest du auch unbedingt die Endometriose als mögliche Ursache deiner Beschwerden mit ins Auge fassen.

Hast du das alles bereits abgeklärt? Sehr gut! Dann geht es frisch ans Werk. 

 

1. Beginne eine evidenz-basierte Ernährungsumstellung!

Die Ernährungstherapie bildet die Grundlage jeder effektiven Reizdarm-Behandlung. Die low-FODMAP-Diät ist heute das am besten untersuchte Ernährungskonzept beim Reizdarmsyndrom. Drei von vier RDS-Betroffenen profitieren von der Vermeidung der kurzkettigen, fermentierbaren Kohlenhydrate. Doch die Diät hat auch ihre Schwächen. Vor allem geht sie mitunter sehr liberal mit vielen Treibern hinter der Darmpathologie um. Kaffee, Zucker, künstliche Zusatzstoffe, Alkohol und glutenhaltige Getreidesorten haben gerade am Anfang nichts in deiner FODMAP-Reduktion zu suchen! Orientiere dich bei der Gestaltung deiner low-FODMAP-Ernährung am besten an den Richtlinien der darmgesunden Mittelmeer-Kost: Viel erlaubtes Gemüse und Olivenöl, glutenfreier Hafer, Buchweizen, Hirse etc., ergänzt durch ein bis zwei niederglykämische FODMAP-arme Früchte, laktosefreie Milchprodukte, Nüsse und Samen, sowie einige qualitativ hochwertige tierische Produkte.  

 

Da gerade viele Patientinnen unter einem Mangel des Enzyms Sucrase-Isomaltase leiden, kannst du, sollte die FODMAP-Diät keine Erfolge mit sich bringen, eine stärkearme Diät wie die Spezielle Kohlenhydratdiät oder Reizdarm-Paleo-Diät versuchen. 

 


2. Ergänze dein Ernährungsprogramm durch ausgewählte Nahrungsergänzungsmittel!

Zwei Pathomechanismen des Reizdarmsyndroms spielen bei Frauen eine bedeutende Rolle.

 

Du solltest unbedingt deinen Vitamin-D-Status überprüfen lassen. Als Frau und Reizdarm-Patientin gehörst du zur Hochrisikogruppe für eine Defizienz dieses wichtigen Prohormons. Eine Behebung eines solchen Mangels durch ein Supplement führt nachweislich zu schnellen und signifikanten Linderungen der Reizdarm-Symptome[26].

 

Weiterhin besteht durch die hohe Rate postinfektiöser Erkrankungen beim weiblichen Geschlecht ein gesteigertes Risiko für eine durchlässigere Darmbarriere (Leaky Gut). Liegt letztere vor, führte die Gabe der Aminosäure L-Glutamin in Studien innerhalb kürzester Zeit zu einer Halbierung der Reizdarm-Beschwerden[27]. Die Existenz eines Leaky Gut Syndroms kannst du bequem über einen Stuhltest mit der Bestimmung des Markers Zonulin nachweisen lassen. 

 

Beide Nahrungsergänzungsmittel lassen sich hervorragend mit der FODMAP-Diät kombinieren und erhöhen deren Effektivität[28]. Unten füge ich einige Verweise an, wie du den Vitamin-D-Mangel und die gestörte Darmbarriere bequem in den eigenen vier Wänden untersuchen lassen und behandeln kannst. 

 


3. Bewege dich mehr!

Dazu gibt es nicht viel zu sagen: 10.000 Schritte pro Tag sind ein Muss, um deine Reizdarm-Beschwerden zu minimieren. In einer japanischen Studie errechneten Forscher anhand der teilnehmenden Studentinnen, dass eine Erhöhung der täglichen Schrittzahl von 4.000 auf 10.000 die RDS-Beschwerden um bis zu 50% vermindern könnte! Also Schrittmesser auf dem Smartphone aktivieren und ab die Post!

 

4. Erlerne ein Entspannungsverfahren oder übe die Bauchhypnose!

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen eindeutig, dass besonders das weibliche Geschlecht von einer Regulation der Hirn-Mikrobiom-Darm-Achse profitiert[29]. Du solltest also unbedingt ein Entspannungsverfahren wie das Autogene Training oder MBSR erlernen. Noch mehr Potenzial hat aber die so genannte Bauchhypnose, welche in Studien vergleichbare Effekte erzielen konnte wie die populäre low-FODMAP-Diät! Interessanterweise konnte bestätigt werden, dass das Üben der darmfokussierten Hypnotherapie anhand von Audio-CDs die selbe lindernde Wirkung zeigte wie eine tatsächliche Sitzung beim Psychologen. 

 


5. Balanciere die weiblichen Sexualhormone!

Klingt nach den weiter oben beschriebenen Zusammenhängen recht logisch, oder? Aber wie genau sollst du das eigentlich bewerkstelligen? Hast du die ersten vier Schritte bereits systematisch abgehakt, hast du schon einen Großteil der Arbeit erledigt. Gerade Zucker bzw. Blutzuckerschwankungen, Alkohol, Bewegungs- und Vitamin-D-Mangel, sowie chronischer Stress gehören zu den Haupttriggern für eine hormonelle Dysbalance der Frau. Darüber hinaus kannst du aber noch einige andere Interventionen erwägen, um deinen Hormonstatus zu optimieren und starke Schwankungen der Sexualhormone zu vermeiden. 

  1. Gehe jeden Abend zur gleichen Zeit ins Bett. Schlafe mindestens neun Stunden. Drei Stunden vor dem Zubett-Gehen kein Fernsehen, Handy, Tablet etc. (kurzwelliges blaues Licht stört die Schlafqualität) und keine Snacks mehr. Guter Schlaf ist ein massiv unterschätzter Faktor bei der Behandlung des RDS!
  2. Setze eventuell weitere Nahrungsergänzungsmittel wie Omega-3-Fettsäuren und einen B-Vitamin-Komplex ein.
  3. Konsumiere täglich zwei Tassen grünen Tee.

Du kannst deinen Hormonstatus auch anhand eines Speicheltests bestimmen lassen. Ergeben sich dort größere Ungereimtheiten, solltest du mit deinem behandelnden Arzt über weitere Maßnahmen sprechen! 

 


So, nun bleibt mir nur noch zu sagen: Selbst ist die Frau! 

 

Bei deiner Behandlung des Reizdarmsyndroms wünsche ich dir alles erdenklich Gute!

Dein Thomas

 

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Literaturverzeichnis: Frauen und Reizdarm

[1]

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[2] Manheimer E, Cheng K, Wieland LS, Min LS, Shen X, Berman BM, Lao L. Acupuncture for treatment of irritable bowel syndrome. Cochrane Database Syst Rev. 2012 May 16;5(5):CD005111. doi: 10.1002/14651858.CD005111.pub3. PMID: 22592702; PMCID: PMC3718572.

 

[3] Bahrami HR, Hamedi S, Salari R, Noras M. Herbal Medicines for the Management of Irritable Bowel Syndrome: A Systematic Review. Electron Physician. 2016 Aug 25;8(8):2719-2725. doi: 10.19082/2719. PMID: 27757180; PMCID: PMC5053451.

 

[4] Taneja I, Deepak KK, Poojary G, Acharya IN, Pandey RM, Sharma MP. Yogic versus conventional treatment in diarrhea-predominant irritable bowel syndrome: a randomized control study. Appl Psychophysiol Biofeedback. 2004 Mar;29(1):19-33. doi: 10.1023/b:apbi.0000017861.60439.95. PMID: 15077462.

 

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[18] Hamaguchi T, Tayama J, Suzuki M, Nakaya N, Takizawa H, Koizumi K, Amano Y, Kanazawa M, Fukudo S. The effects of locomotor activity on gastrointestinal symptoms of irritable bowel syndrome among younger people: An observational study. PLoS One. 2020 May 29;15(5):e0234089. doi: 10.1371/journal.pone.0234089. Erratum in: PLoS One. 2020 Dec 17;15(12):e0244465. PMID: 32470098; PMCID: PMC7259724.

 

[19] Koochakpoor G, Salari-Moghaddam A, Keshteli AH, Esmaillzadeh A, Adibi P. Association of Coffee and Caffeine Intake With Irritable Bowel Syndrome in Adults. Front Nutr. 2021 Jun 15;8:632469. doi: 10.3389/fnut.2021.632469. PMID: 34211993; PMCID: PMC8241212.

 

[20] Jarrett M, Heitkemper M, Cain KC, Burr RL, Hertig V. Sleep disturbance influences gastrointestinal symptoms in women with irritable bowel syndrome. Dig Dis Sci. 2000 May;45(5):952-9. doi: 10.1023/a:1005581226265. PMID: 10795760.

 

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[22] Reding KW, Cain KC, Jarrett ME, Eugenio MD, Heitkemper MM. Relationship between patterns of alcohol consumption and gastrointestinal symptoms among patients with irritable bowel syndrome. Am J Gastroenterol. 2013 Feb;108(2):270-6. doi: 10.1038/ajg.2012.414. Epub 2013 Jan 8. PMID: 23295280; PMCID: PMC3697482.

 

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