Amylasetrypsininhibitoren (ATI) und das Reizdarmsyndrom

Als Reizdarm- Patient, oder auch als Angehöriger, haben Sie sicherlich die Diskussionsbeiträge zum Thema Glutenunverträglichkeit in den Print- und anderen Medien verfolgt.

Gerade in den USA scheinen glutenfreie Diäten der letzte Schrei zu sein, nicht zuletzt durch zahlreiche Prominente, welche einen glutenfreien Lifestyle propagieren.

 

Die Wissenschaft ist sich aber noch immer uneins, welcher Mechanismus hinter den teilweise beeindruckenden Ergebnissen (bspw. beim Reizdarmsyndrom) steckt und wie bedeutend das Phänomen eigentlich ist:

 

Während Forschungspioniere zum Thema Gluten, wie etwa Dr. Alessio Fasano, von einer hohen Dunkelziffer an Zöliakie erkrankter Personen und einer weiten Verbreitung der so genannten Glutensensitivität ausgehen, halten andere Forschergruppen (bspw. von der Universität Columbia) deren Bedeutung für viel geringer und gehen auf Grundlage ihrer eigenen Untersuchungen davon aus, dass sogar nur halb so viele Menschen davon betroffen sind, wie von der eigentlichen Zöliakie.

 

 

Dagegen hatte die Universität Maryland in vorherigen Studien eine Prävalenz von zirka sieben Prozent ermittelt (Gegenüberstellung: In Deutschland leiden ca. 15% der Bevölkerung an leichteren und schweren Symptomen des Reizdarmsyndroms).

 

 

Häufig wird in Diskussionen das "Argument" vernommen, die Unverträglichkeiten von Getreide hätten stark zugenommen.

Diese Aussage ist aber bis heute nicht statistisch gesichert und geht nur von Beobachtungen aus, welche durchaus durch den Hype, der derzeit um die glutenfreie Kost gemacht wird, verfälscht sein könnten.

 

Parallel wird oft betont, dass die Menschen Mitteleuropas sich jahrhundertelang hauptsächlich von Weizen, Hafer und Roggen in allen erdenklichen Formen, vom Brei bis zum Brot, ernährt hätten und zwar ganz ohne irgendwelche negative Auswirkungen.

 

 

 

Letzterer Gedankengang, der meist der Verteidigung des eigenen Getreidekonsums dienen soll, regt zu einer neuen Frage an:

 

 

  • Was könnte sich an unserem Getreide verändert haben, dass Menschen es früher problemlos konsumieren konnten, während heute viele Menschen eine Unverträglichkeit berichten?


Ein nicht unerheblicher Teil der Gastroenterologen geht davon aus, dass der Verzicht auf Getreide für nicht nachweislich an Zöliakie erkrankte Menschen unsinnig ist. Dass sie damit zumindest für uns Darmpatienten falsch liegen, bewiesen u.a. Studien aus den Jahren 2012/13.

Allerdings basierte der pathologische Faktor dabei nicht auf den selben Mechanismen, wie sie bei der Zöliakie vorherrschen und die Wissenschaftler tappten noch im Dunkeln.


Zeitlich synchron machen nun gleich verschiedene Forscher ein Eiweißmolekül der modernen Zuchtgetreide, so genannte Amylase Trypsin Inhibitoren (ATIs), für den schädigenden Prozess verantwortlich.

ATIs wurden gezielt durch Kreuzung in die neuen Hochleistungsgetreidesorten hinein gezüchtet, um einen hohen Ertrag zu erzielen, denn ATIs schützen die Pflanzen vor Schadinsekten und machen sie damit überlebensfähiger bzw. resistenter und sorgen letztendlich für eine reichere Ernte.


Das nützt der Marktwirtschaft und schadet dem Menschen, denn ATIs aktivieren das körpereigene Immunsystem und lösen Entzündungsreaktionen aus, so die Experten. Nun klafft ein großer Graben bei der Konzentration von ATIs zwischen bspw. modernem Weizen und traditionellen Sorten.

Es scheint dann gar nicht mehr so abwegig, dass viele Menschen sich unwohl mit Gluten fühlen, nur dass es vielleicht gar nicht das eigentliche Gluten, sondern ein bisher unbeachteter Beistoff ist, der die Beschwerden auslöst.


Dies würde auch erklären, warum der Verzehr von Getreide in vorangegangenen Generationen als unproblematisch wahrgenommen wurde:

Die damals üblichen Sorten verfügten einfach nicht über eine ausreichend große Konzentration an ATIs.


Eine Forschergruppe der Harvard Medical School beschäftigte sich in Untersuchungen genauer mit den ATIs und schloss aus ihren Ergebnissen, dass diese erheblich zum Krankheitsmechanismus der Zöliakie beitragen und Entzündungen und Immunantworten in gastrointestinalen und anderen Immunerkrankungen fördern. Die Forscher konnten ihre Vermutungen im Tierversuch bestätigen.


Auch beim Reizdarmsyndrom spielen Mikroentzündungen und eine gesteigerte Immunantwort nachweislich eine bedeutende Rolle. Es könnte also sein, dass die ATIs aus Ihrem Frühstücksbrötchen Sie kränker machen, als Sie es sein müssten.

 

FAZIT: Es gibt inzwischen drei vermutete Wirkmechanismen, wie glutenhaltige Getreide den Reizdarm- Patienten Schaden zufügen könnten:

 

  1. Fruktane als FODMAP
  2. Gluten bei Glutensensitivität
  3. ATIs als Entzündungsmodulatoren

 

 

Alles Gute und einen friedvollen Darm

Ihr Reizdarmtherapie- Team