Studie zeigt: Drei von vier Reizdarmpatienten haben ein Fermentationsproblem

Fruktose, Laktose, resistente Stärke, Zuckeralkohole und Ballaststoffe überfordern den Reizdarm
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Inzwischen hat es sich ja auch bis zum allerletzten Allgemeinarzt herumgesprochen: Die Unverträglichkeit von Frucht- oder Milchzucker (auch Laktose-/Fruktosemalabsorption) ist eine gängige Problematik bei den Betroffenen mit Reizdarmsyndrom. Leider wird noch zu häufig angenommen, dass mit dem Verzicht auf das jeweils positiv getestete Lebensmittel auch der "Reizdarm" verschwindet. Doch das ist leider nur sehr selten der Fall.


Eine wissenschaftliche Untersuchung zeigt nun erstmals an einer sehr großen Versuchsgruppe mit funktionellen Reizdarmbeschwerden, wie extrem der Zusammenhang zwischen Malabsorption, dem Reizdarm und Fermentationsprozessen wirklich ist.



74% von 2390 getesteten Reizdarmpatienten waren symptomatische Fruktose- oder Laktosemalabsorber!

Die angesprochene Untersuchung von Goebel-Stengel und Kollegen stammt aus dem Jahr 2014 und wurde in Neurogastroenterology and Motility publiziert. Die Forscher untersuchten sage und schreibe 2.390 Betroffene mit Reizdarmbeschwerden via Wasserstoffatemgastest auf das Vorliegen einer Laktose- bzw. Fruktosemalabsorption. Hier die schon fast schockierend zu nennenden Ergebnisse:


  • 848 (35%) symptomatische Laktosemalabsorber
  • 1.531 (64%) symptomatische Fruktosemalabsorber
  • 587 (25%) litten unter beiden Malabsorptionsphänomenen
  • 1.023 (43%) zeigten einen positiven H2-Atemgastest nach Laktoseeinnahme
  • 1.818 (76%) zeigten einen positiven Atemgastest nach Fruktoseeinnahme


Meiner Meinung nach sind das recht verstörende Zahlen, besonders wenn wir bedenken, dass annähernd 95% der Teilnehmer irgendeine Form von Malabsorption zeigten.


Kurzer Exkurs: Unter Malabsorption wird die unzureichende Aufnahme des entsprechenden Zuckers im Dünndarm verstanden. Dies kann verschiedene Gründe haben (Enzymmangel, Entzündungsprozesse, beschleunigter Transit etc). Problematisch ist dies aus zwei Gründen: Fermentationsfähige Bakterien nutzen den Zucker im Dickdarm als Nahrung und bilden bei dessen Verdauung vor allem Gase und Toxine. Diese provozieren einen osmotischen Effekt und es entstehen Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall. Aber auch Menschen, die keine direkten Symptome zeigen, können durch die mangelnde Aufnahme der kurzkettigen Kohlenhydrate ihren Darm schädigen, denn die zusätzlich ankommende Nahrung für die Mikrobiota kann eine bestehende Dysbiose verstärken. Dabei sollte man bedenken, wie viel Fruchtzucker wir heutzutage durch Obst, Gemüse, Säfte und vor allem Süßwaren und Diätgetränke konsumieren. Das war von Mutter Natur natürlich nicht so vorgesehen!


95% sind viel zu wenig!

Jetzt könnten wir es uns einfach machen und es einfach bei diesen Zahlen belassen. Jeder von uns lässt sich via Atemgastest auf Fruchtzucker- und Milchzuckerunverträglichkeit testen und nach einer entsprechenden Ernährungsumstellung ist die Welt wieder in Ordnung, oder? Leider funktioniert das nur für die wenigsten.


Aber die vorliegenden Daten zeigen wieder einmal, dass wir mit der Entwicklung der Reizdarm-Ernährung auf dem richtigen Weg sind! Dabei bin ich mir ziemlich sicher, dass mehr als 75% der Patienten ein Fermentationsproblem (symptomatische Malabsorber) haben! Wie komme ich zu dieser Annahme?


  • Es fehlen hier Untersuchungen zu weiteren klassischen FODMAPs, welche in Untersuchungen eindeutig ihr Fermentationspotenzial unter Beweis gestellt haben.
  • Ballaststoffe und resistente Stärke wurden ebenfalls nicht betrachtet.
  • Es wurde lediglich mit Wasserstoffatemgastests gearbeitet. Es ist aber bekannt, dass die Testung mittels Methan weitere Malabsorber identifizieren kann.
  • Atemgastests produzieren falsch-negative Ergebnisse.


Was ist also zu tun?

Wenn wir aufgrund der bisherigen Erkenntnisse also davon ausgehen, dass fast alle von uns ein Fermentationsproblem haben, dann wäre es natürlich logisch und richtig, Maßnahmen zu ergreifen, um die Aufnahme problematischer Nahrungsbestandteile zu fördern UND eine Diät zu befolgen, welche ein Zuviel der fermentierbaren Substrate reduziert.


In unserem Therapieleitfaden zeigen wir Strategien auf, wie dies geschehen kann, ohne die Darmflora langfristig negativ zu beeinflussen. Konzepte wie die low-FODMAP-Diät und das Fermentationspotenzial funktionieren ebenfalls über diesen Mechanismus. Leider lässt erstere Ernährungsform resistente Stärke und unlösliche Ballaststoffe außer Acht, welche enormes Symptompotenzial für uns haben.


Machen wir der Fermentation ein Ende, indem wir:


  • Malabsorbierte Substrate reduzieren und Symptome lindern
  • die Darmflora aufbauen und die Verdauung verbessern, um wieder mehr problematische Lebensmittel konsumieren zu können

 

Bis bald und Ihnen allen heute einen friedvollen Darm zum Wochenstart

Thomas Struppe