Stuhltransplantationen und Reizdarm: eine aktuelle Übersicht

Die Stuhltransplantation (engl. fecal microbiota transplant, kurz FMT) steht gerade bei Betroffenen des Reizdarmsyndroms hoch im Kurs. Ursprünglich zur Behandlung von Clostridium- diff.- Infektionen eingesetzt, konnte die FMT in mehreren klinischen Studien ihre Wirksamkeit bei der Therapie chronisch entzündlicher Darmerkrankungen unter Beweis stellen.

Aufgrund ähnlicher Krankheitsmechanismen (veränderte Darmflora, Mikroentzündungen etc.) setzen auch Reizdarmpatienten viele Hoffnungen in diese vielen erst einmal befremdlich vorkommende Therapie.

 

Wird die Stuhltransplantation der nächste große Wurf in der Behandlung des Reizdarmsyndroms? Oder ist der Hype übertrieben? Wir fassen die aktuellen Entwicklungen und vorhandenen Studienergebnisse für Sie prägnant zusammen.

Stuhltransplantationen sind eigentlich keine neue Erfindung, auch wenn sie gerade in den vergangenen fünf Jahren verstärkt in den Fokus Interessierter gerückt sind. Bereits vor Beginn unserer westlichen Zeitrechnung wendeten chinesische Ärzte die Prozedur erfolgreich an. Auch Tierärzte nutzen die FMT seit jeher zur Behandlung von Verdauungsstörungen von Nutzvieh.

Der erste klassische Forschungsartikel, eine Fallstudie, stammt aber aus den 50er Jahren. Ein Mann mit einer schweren pseudomembranösen Kolitis (durch Clostridium difficile) wurde durch einen Einlauf mit Stuhl eines gesunden Spenders kuriert!

 

Nach kurzem Aufruhr verschwand die Methode wieder in den Schatten der Fachliteratur und erst mit der standardmäßigen Gabe von Antibiotika bei allen möglichen Infekten und dem damit verstärkt auftretenden Keim Clostridium difficile (eine gesunde Darmflora hindert diesen an der Kolonisation, Antibiotika zerstören diese natürliche Abwehr) erinnerten sich die Ärzte.

 

Seither wurde viel geforscht und die Stuhltransplantation gilt inzwischen als Standardempfehlung der amerikanischen Gesellschaft für Gastroenterologie zur Behandlung der pseudomembranösen Kolitis. Inzwischen wird der Stuhl mittels Spiegelung in den Dünn- oder Dickdarm eingebracht, nachdem der vermeintlich gesunde Spender auf ansteckende Krankheiten, Pilze usw. getestet wurde.


In letzter Zeit konnten auch vermehrt Erfolge bei den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen vermeldet werden. Dies hat vermutlich mit dem Faktum zu tun, dass Patienten mit Morbus Crohn, Colitis ulcerosa, aber auch dem Reizdarmsyndrom durchschnittlich 25% der Spezies einer gesunden Vergleichsflora fehlen. Genauer: Etwa 250 Darmbakterienstämme sind in unserem Darm überhaupt nicht vorhanden! Wir sprechen dann von einer verminderten Biodiversität (einer kleineren Anzahl von Spezies).

Anhand der vorhandenen Darmflora können die Forscher also einen Reizdarm von einem gesunden Organ unterscheiden. Das wäre einmal ein interessantes Diagnosekriterium im Gegensatz zu den ROM- Kriterien.

 

Es scheint also naheliegend, dass eine Darmsanierung (eine Wiederherstellung der Ausgangsflora) therapeutische Effekte auf das Reizdarmsyndrom hat. An gleicher Stelle setzen Prä- und Probiotika an, aber auch die verschiedenen effektiven Diäten. So konnte gezeigt werden, dass low- FODMAP- Diet und SCD nach einigen Monaten der Anwendung die Biodiversität erhöhen.

 

Die FMT hat aber nun einen bedeutenden Vorteil gegenüber bspw. Probiotika: Über 50% des trockenen Stuhlgewichts besteht aus Bakterien. Menschlicher Stuhl liefert eine Unmenge an Darmbakterien und zwar aus allen vorhanden Spezies. Gängige Probiotika enthalten maximal acht Stämme, die meisten sogar nur einen bis drei.

Was sagt die Forschung?

Pinn und Kollegen (2013) führten die bisher einzige Studie zum Thema durch. Sie behandelten 13 Patienten mit Reizdarmsyndrom, welche vorher nicht auf Medikamente, Probiotika, Diäten oder Antidepressiva reagiert hatten.

Etwa ein Jahr nach der Stuhltransplantation hatten sich die Probleme von 70% der Patienten gelöst oder massiv verbessert (Bauchschmerz 72%, Stuhlgewohnheiten 69%).

 

Von Borody und Kollegen (1989) stammt eine interessante Fallsammlung. Die Autoren haben inzwischen nach eigener Aussage bereits über 300 Reizdarmpatienten mit der FMT helfen können, die vorher nicht auf eine Standardtherapie angesprochen hatten. In der Fallstudie erfuhr etwa jeder zweite Patient eine deutliche Linderung seiner Beschwerden. Besonderen Erfolg hatten dabei Patienten mit dem Subtyp Durchfall.

Ein Wort zur Selbsttherapie (DIY- Methode zuhause)

Viele Patienten mit dem Reizdarmsyndrom greifen aus Verzweiflung zur Selbsttherapie mittels Einlauf. Dies wird u.a. dadurch gefördert, dass ...

 

  1. in Deutschland die klinischen Zentren rar sind, welche die FMT anbieten
  2. dort eher die pseudomembranöse Kolitis und CEDs behandelt werden (das Reizdarmsyndrom wird oft als nicht schwerwiegend genug eingeschätzt, um eine solche Prozedur zu rechtfertigen)

 

Auch einige Mitautoren unseres Portals haben diese Technik probiert. Im Internet findet man sehr genaue Anleitungen und wenn man etwas Zeit, Mühe und Geld für Diagnostik investiert, kann die Prozedur auch ohne große Gefahren vollzogen werden.

 

ABER: Bei dieser Variante gehen über 90% der Bakterienstämme verloren. Nämlich die, die nicht mit Sauerstoff in Kontakt kommen dürfen. Wie effektiv diese Anwendungen also wirklich sind, kann man nicht genau sagen. Einige Anwender berichten von großen Erfolgen, andere sind enttäuscht.

 

Wir können Ihnen nur empfehlen, auf die zukünftigen Entwicklungen zu achten.

Was können wir erwarten?

Inzwischen haben die Wissenschaftler künstliche Stuhlkolonien erschaffen. Dieser "Stuhl" verfügt über alle Bakterienstämme, aber ist geruch- und geschmacklos und kann jederzeit reproduziert werden.

Die nächste große Herausforderung wird es sein, diesen künstlichen Stuhl in Kapseln zu füllen und so eine Art "Superprobiotikum" mit allen wichtigen Stämmen zu generieren.

 

Dieses könnte dann standardmäßig nach Antibiotikakuren, aber auch zur Restauration der Darmflora beim Reizdarmsyndrom oder den CEDs eingesetzt werden. Vielleicht müssen Sie sich dann nicht einmal mehr einer unangenehmen Darmspiegelung unterziehen, um in den Genuss der Vorteile dieser natürlichen Heilmethode zu kommen!