Schleim im Stuhl: Solltest du dir Sorgen machen?

Inhaltsverzeichnis: Was du in diesem Artikel lernen wirst.

Vergangenen Dienstag war es wieder einmal soweit. Der Inhalt des Anrufs kam in diesem Moment zwar unerwartet, doch natürlich hatte ich das geschilderte Phänomen niemals aus den Augenwinkeln verloren. Dafür kommt es ja auch in einer viel zu planmäßigen Regelmäßigkeit vor.  Am anderen Ende der Leitung hatte sich eine junge Klientin von mir gemeldet, welche ich erst seit kurzer Zeit betreuen darf. Die Ärmste steht gerade erst am Beginn ihrer Arbeit mit dem Reizdarmsyndrom (und einer zusätzlichen Sozialen Phobie) und wird von zahlreichen Sorgen um ihre Gesundheit umgetrieben, was ihr das Leben nicht gerade erleichtert. Und nun das: Ein klarer dünnflüssiger Schleim im Stuhl und auf dem Toilettenpapier raubte ihr den wohlverdienten Schlaf. Hatte sie in diesem Zusammenhang nicht einmal etwas von Morbus Crohn oder sogar Darmkrebs gelesen? (Shut the f*ck up, DR. GOOGLE!) Vielleicht war es bei ihr ja doch kein Reizdarm ... 

 

Nach einem recht langen Telefonat mit vielen beruhigenden Worten und einer sich daran anschließenden Psychotherapieeinheit, in welcher unter anderem genau dieses Thema und die damit verbundenen Ängste thematisiert worden waren, hatte ich das gute Gefühl, dass ich ihr die meisten ihrer Sorgen nehmen konnte. Doch meine Klientin war eben nur eine unter vielen Tausenden.

 

Immer wieder erreichen mich die gleichen Fragen per Mail: 

  • "Woher kommt dieser komische Schleim in meinem Stuhl?"
  • "Muss ich mir deshalb Sorgen machen?"
  • "Habe ich vielleicht gar keinen Reizdarm, sondern [beliebige bedrohliche gastrointestinale Erkrankung einsetzen]?"

Das ist für mich tatsächlich beängstigend, denn es zeigt mir, dass es mit der Bereitstellung von Informationen über den Reizdarm seitens der Hausärzte, Gastroenterologen, aber auch der Gesundheitsdienstleister im Internet nicht besonders weit her ist.  

 

Schließlich gehört der seltsame Schleim im Stuhl zu den häufigsten Symptomen des Reizdarmsyndroms! Auch, wenn komischerweise niemand darüber spricht ... 

 

Es wird also wirklich Zeit mit einigen Missverständnissen aufzuräumen und über dieses doch sehr verbreitete Symptom des Reizdarms aufzuklären.

Ratgeber "Dein Reizdarm ist heilbar!" von Autor Thomas Struppe. Erschienen 2022 im humboldt-Verlag.
DU willst deinen nervigen Reizdarm endlich endgültig loswerden? Alle aktualisierten wissenschaftlichen Informationen, die du dafür benötigst, findest du in meinem neuen Buch! Jetzt erhältlich im lokalen Buchladen oder über alle großen Versandhändler.

Schleim im Stuhl ist eines der häufigsten, wenn auch oft verschwiegenen, Symptome des Reizdarms

Im Jahr 2008 veröffentlichte ein Team von Wissenschaftlern unter der Federführung von Uday Ghoshal, einer wahren Koryphäe auf dem Gebiet der Erforschung rund um den Reizdarm und dort besonders der Dünndarmfehlbesiedlung, eine Abhandlung mit dem Titel "Epidemiologie und klinisches Profil des Reizdarmsyndroms" (Ghoshal et al.,2008). In dieser Arbeit hatten die Forscher die Beschwerdebilder von über 2.800 Patienten mit einem Reizdarmsyndrom aller Subtypen aus verschiedenen klinischen Zentren gebündelt und anschließend kategorisiert.

Bei der Häufigkeit der erfassten Symptome kam es dann zu einer großen Überraschung für die Wissenschaftler und wahrscheinlich auch für dich: Auf die typischsten Beschwerden des Reizdarms, nämlich Bauchschmerzen und das Gefühl der unvollständigen Darmentleerung folgte bereits der hier zu besprechende Schleim im Stuhl! Er war also das dritthäufigste Symptom in dieser Stichprobe und dennoch spricht kein Arzt mit dir über dieses Phänomen. Über 55% berichteten demnach über Schleimabgänge mit dem Stuhlgang. Damit schob sich der weißlich bis gelbe Schleim im Stuhl, beim Abgang von Blähungen oder als Rückstand am Toilettenpapier noch vor die eigentlich klassischeren Symptome des Reizdarms wie Durchfall, Verstopfung oder starkes Pressen zum Absetzen von Stuhl. 

 

Das ist auch deshalb verwunderlich, weil die Veränderungen der Stuhlfrequenz und -konsistenz, also Durchfall und Verstopfung, bekanntlich ihren Eingang in die Definitionskriterien für das Reizdarmsyndrom gefunden haben (aktuell die ROM-IV-Kriterien), während der Schleim im Stuhl dort gänzlich unerwähnt blieb! Manchmal diskutiert man in Foren, Ratgebern oder auch im Arztzimmer typische Begleiterscheinungen des Reizdarms wie Appetitlosigkeit, Übelkeit oder depressive Verstimmungen. Aber einmal Hand aufs Herz: Hast du schon einmal mit deinem Arzt oder einem anderen Betroffenen über Schleimabgang gesprochen?

 

Über die Gründe dieses Missverhältnisses kann ich nur mutmaßen. Vielleicht ist es einfach so, dass der regelmäßige Schleim im Stuhl eben keine Einschränkung des täglichen Lebens und keine Herabsetzung der Lebensqualität mit sich bringt? Welch kleines Übel ist doch etwas Schleim beim Pupsen gegenüber den quälenden kolikartigen Bauchschmerzen oder unvorhersehbaren Durchfallattacken beim Mittagessen mit den Kollegen oder beim Kinobesuch mit der Freundin?

Nichtsdestotrotz scheint allein schon das regelmäßige und häufige Auftreten dieses Schleims Betroffene sehr stark zu verunsichern und trägt bereits dadurch zu Krankheitslast und verminderter Lebensqualität bei. Wir sollten uns also um Aufklärung dieses geheimnisumwobenen Symptoms bemühen!

 

Es war nicht immer so: Die "schleimige Colitis" und die Anfänge der Reizdarm-Forschung

Der Begriff des Reizdarmsyndroms ist erst seit den 40er und 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts für unsere Erkrankung gebräuchlich. Doch bereits vor dieser Zeit mussten sich die praktizierenden Ärzte mit den Beschwerden des Reizdarms auseinandersetzen. In einem Fachartikel im "British Medical Journal" beschrieb etwa Dr. Stacey Wilson das klinische Bild und die komplexe Behandlung einer Darmerkrankung ohne organische Ursachen, aber mit Bauchschmerzen und Stuhlveränderungen (Wilson, 1909). Das vereinende Element der unterschiedlichen Beschwerdebilder, heute würden wir sie "Subtypen" nennen, war für die Ärzte dieser Zeit der Schleim im Stuhl. Dieses auffällige Symptom war so prominent vertreten, dass einer der ersten Namensvorschläge für unsere Erkrankung "Mucous Colitis", also "schleimige Colitis" lautete. Damit lagen die Briten meiner Einschätzung nach immer noch deutlich besser, als spätere deutschsprachige Ärzte mit ihrer "Darmneurose". Aber ich schweife ab ... 

 

Woher kommt der Schleim im Stuhl beim Reizdarmsyndrom (RDS)?

Die meisten Darmpatienten wissen, dass eine dicke Schicht Mukus bzw. Schleim einen effizienten Teil unserer Darmbarriere bildet. Wir sprechen aus diesem Grund bei der produzierenden Struktur von der Darmschleimhaut (mukosa). Der Schleim bildet eine gewaltige Netzwerkstruktur über unsere gesamte Darmoberfläche. Ohne dieses Netzwerk wäre eine solch enorme Zahl an Darmbakterien für unser Immunsystem überhaupt nicht verkraftbar, denn der Schleim trennt unsere Epithelzellen von dieser bakteriellen Last und verhindert dadurch effektiv Inflammations- und Infektionsprozesse (Hansson, 2013). 

Bei jedem Stuhlgang geht prinzipiell etwas von diesem Schleim verloren, allerdings ist die Menge bei gesunden Menschen so gering, dass wir den Mukus mit dem bloßen Auge nicht erkennen könnten. 

 

 So weit, so gut. Nun sind der Wissenschaft aber verschiedene Faktoren bekannt, welche zu einem Aufbrechen unserer Darmbarriere und damit zu einer vermehrten Abgabe von Schleim im Stuhl führen. An erster Stelle stehen hierbei bakterielle Infektionen, aber auch weitere entzündliche Prozesse, z.B. im Rahmen der verschobenen Darmflora oder Dysbiose (Sattar & Singh, 2019). Im Ergebnis findet sich ein klarer, oder weiß-trüber bis leicht ins gelbe reichender Schleim im Stuhl bzw. am Toilettenpapier.  Das ist natürlich erst einmal keine gute Sache, denn eine gestörte Darmbarriere kann vielerlei Probleme nach sich ziehen. Allerdings kann ich auch erst einmal Entwarnung geben: Beide Faktoren - Mikroentzündungen und bakterielle Infektionen sind typische Merkmale des Reizdarmsyndroms (Cuomo und Kollegen, 2007; Ng und Kollegen, 2018).

Williams und Kollegen (2016) weisen außerdem darauf hin, dass Schleim im Stuhl besonders häufig kurz nach einer Ernährungsumstellung beobachtet werden kann, z.B. wenn der Darm erst lernen muss, mit einer größeren Menge Fett in der Ernährung umzugehen. Dies könnte einen Hinweis darauf geben, warum viele meiner Leser nach diesem Phänomen fragen. Schließlich geht es hier hauptsächlich um Dinge wie die low-FODMAP-Diät, die Spezielle Kohlenhydratdiät usw.

 

Solltest du dir über Schleim in deinem Stuhl Sorgen machen?

Ich möchte noch einmal betonen, dass Schleim im Stuhl keinesfalls als alleiniges Warnzeichen für eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung gedeutet werden sollte. Schließlich gehört dieses seltsame Phänomen laut den Forschern zu den häufigsten Symptomen des Reizdarmsyndroms. Diese Überschneidung zu Colitis ulcerosa und Morbus Crohn erklärt sich über deren geteiltes Spektrum der Pathomechanismen mit dem Reizdarm, zu denen eben auch Mikroentzündungen und chronische bakterielle Infektionen zählen.  Schleim in deinem Stuhl solltest du allerdings aus zwei Gründen dennoch ernst nehmen:
  1. Treten weitere Alarmsignale wie Blut im Stuhl, nächtliche Durchfälle, Gewichtsverlust oder Fieber hinzu, solltest du dich unbedingt noch einmal bei einem Gastroenterologen vorstellen. Diese Zeichen können auf eine aktive Infektion oder auch eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung hinweisen. 
  2. Regelmäßiger Schleim im Stuhl (Ausnahme: kurzfristiger Prozess nach Ernährungsumstellung) deutet auf einen degenerativen Prozess der Darmbarriere hin. Es ist also durchaus möglich, dass du in die nächste Stufe deiner Krankheit Reizdarm gleitest, wenn du jetzt nicht aktiv wirst! Eine gestörte Darmbarriere begünstigt das Übertreten von Mikroorganismen, Proteinen und Endotoxinen in den Organismus. Die möglichen Folgen sind systemische Entzündungen, Autoimmunität, Neuroinflammation und eine dauerhafte Irritation des Immunsystems (evtl. Chronisches Erschöpfungssyndrom oder Mastzellaktivierung). 
Du solltest Schleim im Stuhl also nicht überbewerten. Beobachte erst einmal, ob sich das Phänomen nach einigen Tagen wieder beruhigt, besonders falls du gerade die SCD oder ähnliche Diäten begonnen hast. Verschwindet das Symptom nicht von selbst, hast du aus meiner Sicht umso mehr Gründe, dich in eine effektive Therapie zu stürzen! Meine Empfehlungen nach über 20 Jahren persönlicher und knapp sieben Jahren therapeutischer Erfahrung mit dem Reizdarm wären (nach Priorität):
  1. Modernste molekularbiologische Abklärung bzgl. Biodiversität und Komposition des Mikrobioms, Entzündungen im Darm, Integrität der Darmbarriere und anderer bedeutender Parameter für die Darmgesundheit!
  2. Umstellung der Ernährung nach Paleo-AIP, SCD oder GAPS zum Stärken der Darmbarriere, Lindern von Entzündungen und Restaurierung des Mikrobioms!
  3. Selektives Anfüttern probiotischer, barrierestärkender Darmbakterien mit Beta-Galaktooligosacchariden! 
  4. Glutamin zur Stärkung der Darmbarriere, besonders bei Schleim im Stuhl und postinfektiösen Prozessen! 
  5. Bei entzündlichen Prozessen unter Beteiligung von Mastzellaktivierung, Nahrungsmittelallergien etc. Quercetin!

Alle diese Vorschläge sind übrigens zahlreich in Studien als effektiv und sicher bestätigt worden (siehe dazu auch meine Empfehlungsseite mit Studienhinweisen).

 

Viel Erfolg und immer schön die Nerven bewahren! 

Euer Thomas

 

Lass uns gemeinsam die Welt verändern!

Dir hat dieser Artikel richtig gut gefallen? Du fandest ihn lesenswert, informativ oder sogar hilfreich für deine Beschwerden? Dann mache bitte andere Betroffene oder deren Angehörige auf ihn aufmerksam und teile ihn in den Sozialen Medien, damit auch andere von diesen Inhalten profitieren können. Nur zusammen sind wir stark und Wissen ist Macht (über unsere Darmbeschwerden)!