Ist Heilung beim Reizdarm eigentlich möglich?

 In der Psychologischen Praxis oder bei der Beratung von Reizdarmpatienten ist die am häufigsten wiederkehrende Frage die nach der Heilung.

 

  • Wie lange dauert die Ausheilung eines Reizdarmsyndroms?
  • Besteht die Möglichkeit einer Heilung?
  • Wie kann ich die Heilung unterstützen?

 

Die Antwort muss sehr differenziert ausfallen:

 

Schauen wir uns die klassische Definition des Reizdarmsyndroms in den klinischen Leitlinien an, so ist dort festgehalten, dass keine anderen bekannten Krankheiten ursächlich für die Beschwerden und Veränderungen sein dürfen. Der Reizdarm ist also bis heute eine Erkrankung ohne bekannte Ursache und Pathologie.

Ohne Kenntnisse über diese essentiellen Faktoren gibt es keine ursächliche Therapie und damit letztendlich keine Möglichkeit auf Heilung. So oder so ähnlich hören es die Patienten auch immer wieder von ihren Ärzten.

 

Doch es gab schon immer Fälle spontaner Abheilungen und Patienten, welche sehr gut bspw. auf Antibiotika, Psychotherapie oder bestimmte Diäten reagierten. Wie erklärten sich die Forscher dieses Phänomen?

 

Ganz einfach: Ließ sich der Reizdarm durch bspw. eine Kostumstellung "heilen", dann hatte er eben per definitionem kein Reizdarmsyndrom, sondern bspw. eine Laktoseunverträglichkeit oder eine Fettverdauungsstörung. Bei der Psychotherapie lagen die Probleme des Patienten in seiner Seele usw.

Diese Begründungen mögen ihre Berechtigung haben, aber was, wenn viel mehr Patienten unter Störungen leiden, die bisher sehr oft als Reizdarm klassifiziert wurden, in Wahrheit aber recht unproblematisch zugänglich sind? Verwehrt man den Patienten dann mit der ablehnenden Haltung die Hoffnung auf Heilung und damit ihre Motivation und ihren Optimismus?

 

Eins der klassischsten Beispiele ist wohl die Dünndarmfehlbesiedlung, welche immerhin in bis zu 80% der Reizdarmpatienten beobachtet wurde. Einige Forschergrößen gingen deshalb davon aus, dass hinter so manchem "Reizdarmsyndrom" in Wahrheit eine Dünndarmfehlbesiedlung steckt. Diese lässt sich recht gut via Antibiotika und Diät austherapieren. Dies kann mit verschiedenen diagnostischen Methoden sogar nachgewiesen werden.

 

Ein weiteres Beispiel ist die Glutenunverträglichkeit. Eine Forschergruppe konnte nachweisen, dass Patienten mit einem Reizdarm auf glutenhaltige Kost mit einer erhöhten Durchlässigkeit der Darmwand reagierten. Über 60% der Versuchspersonen sprachen dann sehr positiv auf eine glutenfreie Ernährung an. Die Forscher legten in ihrer Studie abschließend einen reversiblen Krankheitsmechanismus für das Reizdarmsyndrom (Durchfall) nahe. Dies aber ist nichts anderes, als eine Heilung!

 

Ich könnte hier problemlos weitere Beispiele anführen, was noch alles hinter einem "Reizdarm" stecken kann. Viele dieser Erkrankungen sind sehr wohl heilbar.

Es besteht also die Möglichkeit, dass "der" Reizdarm in den nächsten Jahren in viele verschiedene Krankheiten zerfallen wird. Für diese sind oft ursächliche Therapien bekannt und dann kann man natürlich auch von Heilung sprechen.

 

Ein verantwortungsvoller Arzt oder Therapeut sollte natürlich nicht leichtsinnig mit Heilungsversprechen ködern. Zu differenziert und heterogen sind die Mechanismen hinter jeder einzelnen Erkrankung. Sie sollten aber auch nicht die Möglichkeiten verschweigen. Dies schadet den Patienten nur und hindert sie aktiv an ihre Genesung mitzuwirken. Und selbst, wenn "lediglich" eine Linderung der Beschwerden erreicht werden sollte und keine Heilung im Sinne des Wortes, dann ist doch schon viel gewonnen. Ich verstehe jeden Arzt, der mir berichtet, er möchte keine unerfüllbaren Hoffnungen wecken, aber ich verstehe nicht, warum man auf Patientennachfragen oft so pauschale Absagen bekommt. Halten uns einige Ärzte für zu dumm, eine differenzierte Antwort zu verstehen?

 

FAZIT: Per definitionem ist das Reizdarmsyndrom nicht heilbar, denn die Ursachen und die Pathophysiologie sind unbekannt. ABER: Hinter dem Reizdarmsyndrom verbergen sich laut aktuellsten Forschungen sehr oft andere Erkrankungen (Dünndarmfehlbesiedlung, Dysbiosen im Dickdarm, Glutenunverträglichkeit, Leaky Gut, Kohlenhydratintoleranzen etc.) Bei diesen Störungen lässt sich ursächlich therapieren und so findet so mancher nervige diagnostizierte "Reizdarm" ein glückliches und friedvolles Ende.