Entspannungsverfahren beim Reizdarmsyndrom: Autogenes Training für Beginner

Haben Sie schon ein Entspannungsverfahren erlernt und wenden es auch konsequent (mind. einmal täglich) in Ihrem Alltag an? Nein?

Dann sollten Sie diesen Umstand unbedingt ändern, denn Entspannungsverfahren sind ein fundamentaler Bestandteil der Kognitiven Verhaltenspsychotherapie und ein Grundbaustein derer Effektivität.

 

Wissenschaftlich fundierte Verfahren, die ihren Ursprung im Westen haben und sehr leicht zu erlernen sind (bspw. Autogenes Training und Progressive Relaxation), haben sich aber auch in verschiedenen Untersuchungen als individuell wertvolles Therapeutikum beim Reizdarmsyndrom erwiesen.

 

Heute erhalten Sie eine kurze Einführung, wie Sie hier und heute mit dem Üben des Autogenen Trainings beginnen können.

 

Das Autogene Training (kurz AT) ist heute die vermutlich am weitesten verbreitete Methode zum Abbau von Stress und zur Regulierung des gesamten Organismus. J. H. Schultz, ein dt. Psychiater, entwickelte das System in den Zwanzigern des vergangenen Jahrhunderts aus seinen positiven Erfahrungen mit der Hypnose.

Autogenes Training wird heute der Gruppe der "Körperpsychotherapie" zugerechnet, da es eine tiefe Entspannung über den Körper (bzw. dessen einzelne Bestandteile) induziert. Mit moderner Technik können die Wissenschaftler zeigen, dass durch die für das AT typischen formelhaften Gedanken ("Mein rechter Arm ist strömend warm") wirklich eine Mehrdurchblutung und eine tiefe Entspannung der Muskulatur erreicht werden können. Diese Prozesse in der Peripherie führen über eine Regulierung des vegetativen Nervensystems zu einer globalen Relaxation des gesamten Organismus (Muskeln, Organe, Geist etc).

 

AT entstand auf Grundlage wissenschaftlicher Prinzipien und hatte den Anspruch ein Entspannungsverfahren zu kreieren, welches unabhängig von der kulturellen Zugehörigkeit praktiziert werden konnte. Vorhandene Entspannungsverfahren aus Zen oder Yoga konnten ohne ein tieferes Verständnis der zugrundeliegenden Einsichten kaum von den Menschen des Westens angewendet werden.

 

Inzwischen verfügt das Autogene Training über solch eine beeindruckende Datenlage, dass es bspw. in Österreich als eigenständige Psychotherapiemethode anerkannt ist.

Lee und Kollegen (2014) untersuchten in einer Metaanalyse die Effekte von Hypnotherapie auf die Symptome von Reizdarmpatienten. Dabei gingen sieben kontrollierte und randomisierte Untersuchungen mit insgesamt 347 Patienten in die Auswertung ein. Am deutlichsten waren die positiven Wirkungen auf die Bauchschmerzen. Immerhin 75% der Studien konnten eine Verbesserung des globalen Symptomscores vorweisen.

 

Shinozaki und Kollegen (2013) behandelten Reizdarmbetroffene entweder mit Autogenem Training, oder mit einer Lifestyleberatung. Die AT- Gruppe verbesserte ihre globalen RDS- Scores, sowie die Kategorien "soziales Funktionieren" und "körperliche Schmerzen". Diese Verbesserungen waren signifikant gegenüber der Kontrollgruppe.

Wie sie Autogenes Training zur Behandlung des Reizdarms erlernen

Im AT gibt es drei verschiedene Stufen:

 

  • die Grundstufe (nimmt Einfluss auf das Vegetativum)
  • die Mittelstufe (Verhaltensänderung durch indiv. Formeln)
  • die Oberstufe (Unterbewusstsein)

 

Zuerst müssen Sie natürlich die Übungen der Grundstufe beherrschen, um die es heute gehen soll. Dafür sollten Sie sich jeden Tag etwa 2x10min. Zeit frei halten.

 

Am einfachsten erlernt sich das Autogene Training erst einmal auf dem Rücken liegend. Später können Sie aber auch die Kutscherhaltung und weitere Positionen einüben (dazu später mehr).

 

Legen Sie sich also auf den Rücken. Sie sollten in einem warmen, aber nicht stickigen Raum üben, wo Sie wenigstens für zehn Minuten ungestört sind (Handy aus!). Versuchen Sie Ihren Geist zu leeren, indem Sie alle Eingebungen kommen und gehen lassen, ohne sie zu bewerten. Erzwingen Sie nichts. Nehmen Sie einfach nur wahr.

Die folgenden Formeln sollten Sie nun gleichmäßig und monoton denken. Es hilft, wenn man die entscheidenden Worte (bspw. "ruhig" oder "warm") auf den Ausatemprozess denkt.

 

Die Ruheformel

Mit der Ruheformel wird das Autogene Training eingeleitet. Sie lautet:

 

"Ich bin ganz ruhig"

 

Die Ruheformel wird am Anfang zumeist 3x gedacht und zwischen den einzelnen Übungen einmal wiederholt.

 

Die Schwereformel

Konzentrieren Sie sich nun auf Ihren dominanten Arm (in unserem Beispiel den rechten). Spüren Sie, wie er schwer und entspannt auf der Unterlage lastet und beobachten Sie den engen Kontakt zum Boden.

 

"Mein rechter Arm ist angenehm schwer"

 

Wiederholen Sie die Formel 5-7x und hängen Sie das "Ich bin ganz ruhig" an.

 

 

Die Wärmeformel

Um die nächste Formel zu unterstützen können Sie sich bspw. vorstellen, wie wärmende Sonnenstrahlen Ihren Arm kitzeln. Denken Sie 5-7x

 

"Mein rechter Arm ist strömend warm".

 

Nach einiger

Zeit wird Wärme oder ein angenehmes Prickeln Ihren Arm durchfluten. Schließen Sie wieder mit der Ruheformel.

 

 

Die Atemformel

Versuchen Sie nicht mit der Formel Ihren Atem künstlich zu beeinflussen. Achten Sie lediglich auf eine tiefe Atmung und lassen Sie ihn ungehindert ein- und ausströmen.

 

"Es atmet mich" (5-7x)

"Ich bin ganz ruhig"

 

 

Die Herzformel

Für die Herzformel gilt die selbe Feststellung, wie für den Atem. Versuchen Sie nichts zu erzwingen oder zu bewerten. Beobachten Sie nur.

 

"Mein Herz schlägt ruhig, kräftig und regelmäßig" (5-7x)

"Ich bin ganz ruhig"


 

Die Sonnengeflechtformel

Das Sonnengeflecht richtet die Konzentration auf den Oberbauch. Gerade Reizdarmpatienten sollten die neuere Formel verwenden, in welcher von Bauch statt von Sonnengeflecht gesprochen wird.

 

"Mein Bauch ist strömend warm" (5-7x)

"Ich bin ganz ruhig"

 

 

Die Kopfformel


"Meine Stirn ist angenehm kühl" (5-7x)

"Ich bin ganz ruhig"

 

 

Die Rücknahme

Besonders wichtig beim Autogenen Training ist die so genannte Rücknahme. Diese dient dazu, dass man nach dem Üben wieder aktiv und konzentriert ist. Vor dem Schlafen kann die Rücknahme weggelassen werden.

 

  • Fäuste ballen
  • Arme hastig beugen und strecken, evtl. mit Fäusten an Schultern schlagen
  • Augen aufreißen und dabei Luft auspusten

Wie sollte vorgegangen werden?

Sinnvoll ist es, eine Übung für eine Woche zu üben (bspw. nur Ruhe und Schwere) und dann erst die nächste hinzuzunehmen. Der Wärme- und Schwereeffekt wird sich mit der Zeit von Ihrem dominanten Arm ausbreiten (Generalisierung), so dass Sie die Formel anpassen können ("Meine Arme sind ganz schwer" oder "Arme und Beine sind ganz schwer"). Mit zunehmendem Erfahrungsschatz werden Sie die Formeln immer abstrakter verkürzen ("Arme, Beine schwer") und trotzdem die selben Effekte generieren können. Beim Übergang in die höheren Stufen reicht dann Ruhe - Schwere - Wärme - atmet mich usw.

 

Besonders wertvoll für Reizdarmpatienten sind allerdings die individuellen Formeln. Mit Hilfe dieser persönlichen suggestiven Sätze können Sie an Ihren jeweiligen Hauptproblemen arbeiten (Schmerzen, Vermeidungsverhalten, Ängste etc). Diesen widmen wir uns aber in einem späteren Beitrag, damit Sie erst einmal ordentlich Zeit zum Üben haben. Ohne eine Tiefenentspannung (durch die Grundstufe) sind die individuellen Formeln nämlich nutzlos (da keine Selbsthypnose, sondern nur dahergesagte Phrasen).

 

 

Viel Erfolg und üben Sie fleißig

Ihr Reizdarm Therapie Team