Kapitalismus, Big Pharma & Internet - Wem kann man noch trauen?

Zerstört der Kapitalismus das Recht auf neutrale Information?
Bild: IESM / pixelio.de

Das erste Viertel des Jahres 2016 ist nun fast vorüber und in diesem kurzen Zeitraum haben wir als unabhängiges Informationsportal von Betroffenen für Betroffene immerhin drei "unmoralische Angebote" erhalten. Schon von Anfang an haben wir darauf hingewiesen, dass finanzielle Interessen das Informationsangebot zum Thema Reizdarmsyndrom bzw. Gesundheit allgemein massiv (negativ) beeinflussen. 

Dabei geht der Trend dahin, nach außen hin "neutrale" Expertenseiten zu kreieren und ganz offensiv deren Unabhängigkeit zu betonen. Was bzw. wer eigentlich hinter den vermeintlich "neutralen und unabhängigen" Expertenseiten steckt, erfährt man (wenn überhaupt) erst durch einen genauen Blick ins Impressum der jeweiligen Homepage. Manchmal ist sogar noch etwas Recherchearbeit nötig.

 

Anhand unserer eigenen Erfahrungen möchten wir gern schildern, wie es zur Dominanz bestimmter Informationen kommt und was es mit den "unmoralischen Angeboten" auf sich hat. Wir würden uns besonders freuen, wenn dieser Artikel weit geteilt wird, um möglichst viele Betroffene zu erreichen, damit diese ihre Quellen gezielter hinterfragen können.

 

  


Guten Morgen, Dr. Google! Ich habe da ein Problem ...

 

Schon seit langem hat das allmächtige Internet Ärzte, Selbsthilfegruppen oder Bücher als Informationsquelle für Gesundheitsinformationen abgelöst. Das glauben Sie nicht? Gibt es denn auch nur einen Leser unter Ihnen, welcher noch nicht nach Lösungsansätzen bzgl. seiner Reizdarmbeschwerden im World-Wide-Web geforscht hat?

 

Bevor ich dieses Infoprojekt ins Leben rief, habe ich mir eigentlich nie große Gedanken gemacht, wie und warum bspw. Google bestimmte Seiten auf den ersten Plätzen anbietet. Sind das vielleicht die Angebote mit den qualitativ-hochwertigsten Inhalten, den bekanntesten Autoren oder den neutralsten Ansätzen? 

 

Schauen wir uns das Ganze für das Reizdarmsyndrom doch einmal etwas genauer an ...

 

Unter dem Suchbegriff "Reizdarm" finden wir auf der 1. Seite von Google (Aufruf am 22.03.2016) neben der Wikipediaseite zu RDS und der Reizdarmselbsthilfe u.a. von Google geschaltete Anzeigen (für die Positionierung muss ordentlich Geld fließen, sie werden nämlich erkauft) für Reizdarm.net (MK Health GmbH, Kijimea), Carmenthin.de (Schwabe GmbH & Co. KG), Gesunder-Darm.com (BioLine Inc., u.a. Vertreiber von "Darmenzymen etc.) und Iberogast.de (Bayer Vital GmbH), sowie tatsächliche gute Platzierungen im eigentlichen Ranking für Kijimea.de (PharmaFGP GmbH) und Gesundheitsportale wie Zentrum-der-Gesundheit.de oder Gesundheit.de.

 

Welchen dieser unabhängigen Informationsanbieter zum Thema Reizdarmsyndrom und Darmgesundheit trauen Sie am meisten? Ich hoffe doch sehr, dass Sie sich für Wikipedia oder die Reizdarm-Selbsthilfe entscheiden würden. Oder lesen Sie auch gern in den großen und ach so unabhängigen Gesundheitsportalen? Dann sollten wir vielleicht auch dort einmal ins Impressum schauen. Bei Gesundheit.de finden wir an dortiger Stelle: Alliance Healthcare Deutschland AG. Sie fragen sich, um was für eine Firma es sich handeln mag? Es ist ein Pharmagroßhändler mit Sitz in Frankfurt am Main.

 

Halten wir also fest: Die Informationshoheit zum Thema Reizdarmsyndrom im World-Wide-Web wird durch mehrere Firmen innegehalten, welche eindeutige finanzielle Interessen haben und sehr oft assoziierte Produkte vertreiben. Möchte man zu einem klinisch-wissenschaftlich-validiertem Leitfaden zum Reizdarmsyndrom einer gastroenterologischen Fachgesellschaft gelangen, muss man sich wohl oder übel bis zur Googleseite 5(!) vorarbeiten. Und ganz ehrlich: Welcher Neudiagnostizierte auf der Suche nach schnellen Lösungen für seine massiven Beschwerden tut das schon?

 

 

Wie kommt man denn nun auf die ersten Google-Seiten?

 

Die Wahrheit ist, dass darauf niemand so wirklich eine Antwort weiß, denn Google selbst hält seinen Rankingalgorithmus geheim. Dennoch kennen wir heute verschiedene Faktoren der Suchmaschinenoptimierung, welche einen mehr oder minder großen Einfluss auf die Platzierung der Seite haben. So spielen neben dem Alter, der Gestaltung und den Keywords in Titel und Inhalt vor allem die Bekanntheit bei anderen Seiten (gemessen am Verlinkungsgrad) eine große Rolle.

 

Viele Werbeagenturen haben sich auf diese Form der Search-Engine-Optimization (SEO) spezialisiert und pushen Homepages für ein gutes Honorar an die Spitze.

So mussten wir immer wieder staunen, dass Webseiten mit einem "Reizdarm" im Titel, aber vollkommen ohne Inhalt(!), sondern mit leeren Kategorie, vor unserem Portal in der Suche landeten. Der Grund war dann auch ersichtlich: Die Seite wurde künstlich bis zum Zerbersten optimiert und stand bereits via Klick zum Verkauf bereit! Dies ist natürlich ein Extrembeispiel, aber Sie sehen daran vielleicht schön, dass es nicht hauptsächlich auf die Qualität der Inhalte ankommt, denn sogar eine Seite ganz ohne Inhalt kann punkten.

 

Links von bereits gut-platzierten Webseiten beeinflussen die Platzierung. Verweise von den großen Gesundheitsportalen etc. haben einen besonders guten Einfluss auf das Google-Ranking. Vielleicht erschließt sich Ihnen jetzt, warum viele Pharmafirmen (neben der guten Werbemöglichkeiten) unabhängige Gesundheitsportale betreiben? Natürlich kann ein Unternehmen, welche viele verschiedene Webseiten aus einer Kategorie (bspw. Gesundheit) führt, diese strategisch untereinander verlinken und Google somit einen hohen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad vorgaukeln. Leider werden auch immer noch Links gegen Geld "eingekauft".

 

Es versteht sich von selbst, dass das Onlinegeschäft ein enorm wichtiger Markt ist. Aus diesem Grund verlegen viele Hersteller von Medikamenten und Supplementen ihre Werbebemühungen zunehmend von Print- und Fernsehspots auf das Marketing im Internet. Natürlich kann eine Firma mit entsprechenden finanziellen Mitteln sich eine perfekt-optimierte Seite basteln lassen und verfügt oft schon über ein Netzwerk an willigen Verlinkungsseiten. Besonders beliebt ist es dann auch, nach außen hin möglichst unabhängig zu erscheinen und einen medizinischen Experten als Seitenbetreiber vorzustellen. Von einer Firma erfährt man häufig nur über das Impressum, denn die Werbefachleute wissen sehr wohl, dass die Menschen keine zu offensichtlichen Bemühungen von Verkäufern schätzen.

 

 

Kleine, objektivere Mitbewerber werden gezielt beeinflusst

 

Neben diesem Mechanismus der Eroberung der Deutungshoheit mittels Überrepräsentation finden wir aber auch noch eine weitere Beeinflussungsstrategie.

Portale und Blogs, welche versuchen unabhängige und evidenz-basierte Informationen zu liefern (sehr oft sind die Betreiber, wie bei uns auch der Fall, selbst von RDS betroffen) und auf natürliche, kostengünstige Behandlungsmöglichkeiten verweisen (low-FODMAP-Diet, Bauchhypnose, Glutensensitivität etc.) werden oft mit "unmoralischen Angeboten" gelockt.

 

So bekommen wir regelmäßig Anfragen von Supplementeherstellern, ob wir nicht ihre Produkte gegen Gegenleistung vorstellen möchten. Schauen Sie sich einmal die aktuellen YouTube-Kanäle an, wo es nur so von geschicktem Product-Placement (oder besser Schleichwerbung) wimmelt. Hätten sich diese Firmen einmal die Mühe gemacht unseren Blog zu lesen, dann wüssten Sie, dass solche Anfragen ihrerseits zwecklos sind. Sie stellen diese auch nicht, weil sie mit unseren Inhalten einverstanden sind, oder gar unser Engagement begrüßen, sondern lediglich weil wir trotz oder gerade WEGEN unseres konsequent unabhängigen Kurses inzwischen gute Platzierungen bei Google erzielen und monatlich über 20.000 Leser erreichen.

 

Wir können nicht sagen, wie viele andere Seiten diese Angebote annehmen oder ablehnen. Uns schützt wohl die eigene Erfahrung, da wir schon sehr oft in verschiedenste Marketing-Fettnäpfchen gelockt wurden und diese Strategien kennen und ablehnen. Wir empfehlen also nur Inhaltsstoffe oder Produkte, von denen wir selbst absolut überzeugt sind. Basta!

 

  

Transparenz: Wie verdient ein Portal wie unseres dann Geld?

 

Reizdarmtherapie.net war nie dazu gedacht, Geld zu verdienen und dennoch fallen natürlich Kosten für die Homepagegebühren, den Zugang zu neuen Volltext-Fachartikeln etc. an. Wie oben geschildert, könnten wir mit unserer Homepage inzwischen deutlich mehr Geld verdienen und somit Gewinn machen, aber das möchten wir gar nicht. Das Vertrauen unserer Leser ist uns nämlich enorm wichtig und ich denke, dass Sie das auch das ein oder andere Mal schon gemerkt haben.

 

Das Geld für die Seite fließt zum einen aus Google-Werbeanzeigen in den Artikeln und Provisionen aus Verkäufen in unserem Amazon-Partnershop. Wird in letzterem bspw. ein Buch bestellt, dann erhalten wir eine kleine Provision, ohne dass der Leser mehr bezahlen müsste. Dabei handelt es sich um zweistellige Beträge im Monat. Für den Zugriff auf Volltext-Fachartikel (oft 30-50€ pro Artikel) nutzen wir Gelder aus unserem verkauften Leitfaden, was wiederum auch dem Blog zugute kommt.

 

 

Fazit: Bitte prüfen Sie Ihre Infoquellen!

 

Nicht jedes Portal, welches gleichzeitig ein Produkt vertreibt oder andere finanzielle Interessen hat, muss automatisch falsche oder schlechte Infos anbieten, aber wir sollten uns immer bewusst machen, dass diese Informationen von Interessen geleitet werden. Warum sonst finden sich auf den ersten Googleseiten kaum Informationen zur Ernährungsumstellung oder zur Bauchhypnose, wenn doch diese Verfahren über eine sehr starke wissenschaftliche Evidenz verfügen? Man könnte nach dem Geschriebenen verleitet sein zu glauben, es liege daran, dass davon keine größere Firma profitiert. Oder können Sie sich einen anderen Grund zusammenreimen?

 

Bitte bleiben Sie also wachsam und überprüfen Sie die Wertigkeit der gefundenen Informationen. Sprechen Sie auch ruhig Ihren Gastroenterologen oder andere Betroffene darauf an, bevor Sie in ein Fettnäpfchen treten.

 

Bleiben Sie wachsam!

Ihre Redaktion