RDS-Patienten haben ein erhöhtes Risiko für Altersdemenz und Epilepsie

Reizdarm - ein Risikofaktor für Demenz
Bild: angieconscious@pixelio.de

Liebe LeserInnen,

 

wie lange wird uns das Reizdarmsyndrom eigentlich von den Medizinern schon als harmloses Anhängsel verkauft? Und wie lange wird das wohl in Zukunft noch der Fall sein? Wir müssen uns doch lediglich einmal zusammen reißen, die Kollegen kommen ja schließlich auch auf Arbeit, wenn es mal etwas zwickt und zwackt. Zumindest aber müssen wir lernen, mit unseren Beschwerden zu leben. Dann kann es eben nicht die gewünschte Karriere, das geliebte Hobby oder der Traumpartner sein. Sie können eben nicht einfach einmal im Restaurant in Spanien essen. Da müssen wir eben bescheiden sein! Nehmen Sie doch einfach eine Tupperdose mit Reis mit ... Am RDS stirbt schließlich niemand.

 

Wenn Ärzte und Umfeld schon nicht an die Intensität unserer Beschwerden glauben wollen, dann helfen ihnen vielleicht die vielen Untersuchungen, die zeigen, dass das Reizdarmsyndrom ein großer Risikofaktor für Erkrankungen ist, welche in der Regel etwas ernster genommen werden. Früher waren dabei besonders die psychiatrischen Komorbiditäten im Blickfeld - Depressionen, Soziale Phobie, Generalisierte Angststörung, Substanzmissbrauch. Doch in den vergangenen Monaten und Jahren kamen immer weitere Erkrankungen ans Licht, bei welchen das RDS einen Risikofaktor darstellt.

 


Reizdarm und Demenz

In einer groß angelegten Untersuchung von Chen und Kollegen in Taiwan (2016) verglichen die Wissenschaftler Daten aus dem Krankenversicherungssystem von über 32.000 RDS-Diagnostizierten mit fast 130.000 gesunden Kontrollpersonen hinsichtlich der Entwicklung einer Altersdemenz. Die Kontrollgruppe wurde natürlich bezüglich Alter, Geschlecht und anderer demographischer Daten angepasst.

 

Weiterhin wurden weitere Risikofaktoren für die Demenz (Herzkreislauferkrankungen, Kopfverletzungen, Blutdruckabweichungen etc.) statistisch ausgeschlossen. Dennoch zeigte die Reizdarmgruppe mit einer Inzidenz von 4,86 auf 1.000 Personenjahre ein erhöhtes Risiko gegenüber der Kontrollgruppe (3,4).

 

Die Autoren erwähnen Abweichungen der gut-brain-axis als kritisch beiderseits für kognitive Funktionen und die Darmgesundheit.

 

 

Reizdarm und Epilepsie

Die gleiche Forschergruppe hatte sich 2015 schon mit der Rolle von RDS bei Epilepsie beschäftigt. Das Vorgehen ähnelte dabei stark der eben schon vorgestellten Untersuchung. Lediglich andere (weitere) Risikofaktoren wurden statistisch berücksichtigt (Schlaganfall, Antidepressiva usw.)

 

Zentrales Ergebnis: Das Reizdarmsyndrom stellte einen Risikofaktor für Epilepsie dar. Dies galt für Personen mit und ohne(!) zusätzliche Risikofaktoren. Die Autoren betonen, dass der Reizdarm evtl. eine nicht so essenzielle Rolle spielt, wie andere Risikofaktoren, dies aber einer genaueren Untersuchung bedürfe.

 

Reizdarm als Risiko für Epilepsie
Bild: Chen et al. (2015)

Stirbt wirklich niemand am Reizdarmsyndrom?

Ich hatte diese Aussage zu Anfang dieses Artikels in den Ring geworfen, weil ich sie so von einem meiner ersten Gastroenterologen zu hören bekam: "Machen Sie sich nicht so viele Gedanken, am Reizdarm stirbt niemand!"

 

Vielleicht nicht direkt ... Aber in dieser Untersuchung aus Manchester von Miller und Kollegen (2004) überlegten immerhin 38% der Reizdarm-Patienten, ob sie ihrem Leben aufgrund der Darmprobleme selbst ein Ende machen sollten. Immerhin 5 der 100 Probanden hatten tatsächlich schon einen Selbstmordversuch unternommen!

 

Hoffen wir einfach, dass die schweren "Nebenwirkungen" dieser "funktionellen Störung", an "welcher man ja bekanntlich nicht stirbt" auch bis zum letzten Allgemeinarzt dringen ...

 

 

Thomas Struppe