Spaßbremse: Kritik an der Low-FODMAP-Diät

Führt der low-FODMAP-Ansatz in eine Sackgasse? (Bildquelle: Bernd Sterzl / www.pixelio.de)
Führt der low-FODMAP-Ansatz in eine Sackgasse? (Bildquelle: Bernd Sterzl / www.pixelio.de)

Schon vor einiger Zeit haben wir auf dem Blog angemerkt, dass sich unser anfänglicher Enthusiasmus für das Konzept der FODMAP-Reduktion zur Linderung von Reizdarm-Beschwerden gelegt hat. Das durchaus schlüssige Theoriegebäude und die teilweise recht beeindruckenden Untersuchungsergebnisse klinischer Studien ließen sich nicht in unserer praktischen Arbeit untermauern.


Inzwischen wissen wir aus einigen Fachartikeln, dass eine längerfristig durchgeführte Reduktion der kurzkettigen, fermentationsfähigen Kohlenhydrate zu einer weiteren Verminderung probiotischer Darmbakterienstämme führt. Damit scheint die low-FODMAP-Diät sogar einen Faktor zu verschärfen, welcher ohnehin mit dem Reizdarmsyndrom assoziiert scheint.


Nach vielen positiven Berichten unsererseits über die Wirkung der FODMAP-Elimination und Wiedereinführung möchten wir heute gern einige wissenschaftliche Gegenargumente ins Feld führen.



Wie effektiv ist die Low-FODMAP-Diät wirklich?

Einige klinische Studien zeigen eine deutliche Effektivität des low-FODMAP-Prinzips auf die Beschwerden funktioneller Verdauungserkrankungen. Was passiert aber, wenn man die FODMAP-Reduktion mit anderen diätetischen Maßnahmen vergleicht?


Böhn und Kollegen (2015) widmeten sich in Schweden dieser Frage. Sie teilten 75 Reizdarm-Betroffene (diagnostiziert auf Grundlage der ROM-III-Kriterien) per Zufallsprinzip in zwei Gruppen ein. Während die erste Gruppe über vier Wochen ihre FODMAP-Zufuhr deutlich drosselte, erhielt die zweite Gruppe eher "klassische" Ernährungsempfehlungen für den Reizdarm, darunter die Minimierung von Fett, unlöslichen Ballaststoffen, Koffein. Bei der zweiten Gruppe wurde allerdings mehr Wert darauf gelegt, wie und wann gegessen werden sollte, als was (regelmäßige Mahlzeiten, kleine Portionen, bewusstes Essen).


Nach der Auswertung der Ernährungstagebücher und dem Festhalten der Severity-Scores (einer Selbsteinschätzung der Teilnehmer bezüglich des Schweregrades ihrer Symptome) kamen die Wissenschaftler zu folgenden Ergebnissen:


  1. Beide Gruppen hielten sich gut an die jeweiligen Empfehlungen.
  2. Beide Ernährungsstrategien hatten die Reizdarm-Beschwerden nach 4 Wochen reduziert.
  3. Es gab keinen signifikanten Unterschied in der Effektivität beider Verfahren.


Reviewartikel: Sehr wenige Daten untermauern Effektivität der low-FODMAP-Diät - Vorsicht bei Empfehlungen geboten

Clark und Kollegen (2015) verweisen in ihrem Reviewartikel auf den Umstand, dass sich die Empfehlungen zum low-FODMAP Ansatz nur "auf einige wenige, kurzfristig angelegte, nicht-doppelblinde Untersuchungen stützten".  Die meisten Studien verwendeten lediglich eine Dauer von durchschnittlich sechs Wochen. Verlässliche Langzeiterfahrungen sind also nicht vorhanden.


Im Review isz weiterhin vermerkt, dass "das FODMAP-Konzept für einige Betroffene angemessen sein kann, die Unterweisung in die Ernährungsstrategie aber von einem erfahrenen Arzt oder Ernährungsberater durchgeführt werden sollte". Die Patienten sollten nach Einschätzung der Autoren darauf hingewiesen werden, dass das FODMAP-Konzept auf einer nicht ausreichend wissenschaftlich-abgesicherten Basis stehe.


Low-FODMAP-Diät reduziert Bifidobakterien

Es war vor allen anderen Dingen folgendes Untersuchungsergebnis, das viele Wissenschaftler und Praktizierende wieder etwas mehr Abstand vom FODMAP-Ansatz nehmen ließ:


Eine Ernährung mit reduziertem FODMAP-Gehalt hat negative Auswirkungen auf probiotische Darmbakterienstämme, vor allem Bifidobakterien.


Dies zeigte u.a. die Arbeit von Staudacher und Kollegen (2012).  Kommentar der Autoren: "Obwohl die Methode effektiv beim Management der Reizdarm-Beschwerden war, bedürfen die Auswirkungen auf das Mikrobiom (die Darmflora) einer weiteren Abklärung!"


Warum ist das überhaupt wichtig?

Aus verschiedenen Untersuchungen wissen wir, dass das Reizdarmsyndrom mit einer veränderten Darmflora assoziiert ist. Dabei scheint u.a. die Biodiversität vermindert zu sein, d.h. wir Reizdarmpatienten beherbergen nicht alle durchschnittlich 1.000+ Darmbakterienstämme gesunder Vergleichspersonen, sondern bis zu 25% weniger (bspw. Qin und Kollegen, 2010).

Weiterhin ist bekannt, dass bestimmte Stämme bei Reizdarmpatienten "überwuchern" (bspw. Clostridium spp.), während probiotische Bakterien (eben auch Bifidobakterien) signifikant weniger vorhanden sind (u.a. Rajilic´ und Kollegen, 2011).


Dies würde allerdings bedeuten, dass wir durch eine langfristige Reduktion der kurzkettigen Kohlenhydrate ohnehin verminderte Bifidobakterienpopulationen noch weiter reduzieren und letztendlich zu einem noch größeren Ungleichgewicht beitragen. Das kann sicherlich nicht in unserem Sinne sein.


Wie potent die Hypothese der entglittenen Darmflora ist, zeigen beeindruckende Ergebnisse aus Fallstudien mittels Stuhltransplantation. In diesen konnten Ansprechraten von 30 bis 60% bei teilweise vollständiger Remission der Symptome erzielt werden (bspw. Arionadis und Brandt, 2013).


FODMAPs sind auch wichtige Präbiotika

Mit der Reduktion von FODMAPs eliminieren wir auch einen sehr wichtigen Faktor für unsere Darmgesundheit. Denn unter ihnen befinden sich gesundheitsfördernde Präbiotika, welche unsere "guten" Darmbakterien nähren, darunter:


  • Isomalto-Oligosaccharide (MOS)
  • Inulin
  • FOS
  • Galaktooligosaccharide (GOS)


Diese präbiotischen Substanzen fördern das Wachstum von u.a. Bifidobakterien, helfen bei gastrointestinalen Beschwerden und fördern allgemein die Gesundheit.



Ein Beispiel gefällig?


Das wohl vielversprechendste Präbiotikum unserer Aufzählung ist GOS. Silk und Kollegen (2009) zeigten, wie eine tägliche Gabe an Reizdarm-Betroffene deren Bifidobakterienkulturen gezielt vermehrt, die Stuhlkonsistenz verbessert, sowie Blähungen, Flatulenz und sogar Ängstlichkeit lindert!


Präbiotika vs. Probiotika

Nun meinen einige Betroffene, es sei bequemer und sicherer, die probiotischen Stämme via Probiotika, also lebensfähigen Bakterienkulturen, zu beeinflussen. Das ist aber eine Fehleinschätzung.


Probiotika wirken immunomodulatorisch und siedeln sich nicht dauerhaft im Darm an (bspw. Larsen und Kollegen, 2006)!


Es ist also klüger, unsere vorhandenen Kulturen ausreichend mittels Präbiotika zu "düngen", als unseren Darm mit neuen Organismen zu fluten, welche nicht dauerhaft verbleiben. Zumindest aber sollten beide Strategien kombiniert werden, was während einer FODMAP-Elimination kaum möglich ist.


Es kommt auch auf das WIE an

Dieser Überblick über den low-FODMAP-Ansatz hat jetzt ein ganz eigenes, eher ernüchterndes Bild der Strategie gezeichnet. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir die low-FODMAP-Diät als wertlos oder gar gefährlich erachten. Es sollte allerdings mehr auf das WIE bei der Durchführung der Maßnahme wertgelegt werden!


Vor allem die Wiedereinführung präbiotischer Substanzen erhält unserer Meinung nach nicht den Stellenwert bzw. die Aufmerksamkeit, welche sie eigentlich verdient hätte. Sehr viele unserer Leser und Klienten verbleiben viel zu lange in einer sehr FODMAP-armen Phase, in der Hoffnung die Symptome weiter reduzieren zu können. Dies könnte allerdings zurückfeuern.


Natürlich stellt sich hier ein bedeutendes Problem:


Einige Lebensmittel, die wir während der Low-FODMAP-Diät meiden, reduzieren zwar kurzfristig Symptome, aber ihre Nichtaufnahme verhindert auch die Zurückeroberung einer gesunden Darmflora.


Hier müssen also neue Strategien und Ansätze gefunden werden und natürlich benötigen die Anwender, aber auch Ernährungsberater etc. eine bessere Aufklärung.


Alles Gute für Ihre Gesundheit

Thomas Struppe